Rezension

Wenn die Psychologin selbst Leichen im Keller hat...

The Unknown Bridesmaid - Margaret Forster

The Unknown Bridesmaid
von Margaret Forster

Bewertet mit 3 Sternen

Julia, 48 Jahre alt, ist eine erfolgreiche Londoner Kinderpsychologin. Sie hat eine besondere Begabung dafür, die Denkweise verhaltensauffälliger junger Mädchen zu verstehen. Auch Fälle, in denen eher die überzogenen Erwartungen der Eltern das eigentliche Problem sind, durchschaut Julia schnell. Sehr viel weniger klarsichtig ist Julia hingegen im Hinblick auf ihre eigene Kindheit. Eine unbedachte Handlung Julias und ihre Unfähigkeit, sich den eigenen Schuldgefühlen zu stellen, hat weitreichende Folgen. Durch einen aktuellen Fall wird Julia an vergangene Ereignisse erinnert, die sie lieber vergessen würde...

Margaret Forster schildert mit viel psychologischem Gespür einen "schwierigen" Lebenslauf. Die Autorin wechselt dabei zwischen zwei Zeitebenen:
Der Gegenwart, in der Julia es als Psychologin mit auffälligen Mädchen zu tun hat und ihre eigene Kindheit, die von Mutter, Tante und Cousine Iris dominiert wird.
Julias Rückblick auf ihre Kindheit setzt mit der Hochzeit ihrer Cousine Iris ein, die Julia gebeten hat, als eine der Brautjungfern zu fungieren.
Mit Iris wird Julia im Lauf ihres Lebens immer wieder auf schicksalshafte Weise verbunden sein, wie dem Leser erst nach und nach enthüllt wird.

Ich habe "The unknown bridesmaid" mit großem Interesse gelesen; allerdings muss ich gestehen, dass mich die Szenen aus Julias Gegenwart als Kinderpsychologin eher im Lesefluss gestört haben.
Ich fand die bruchstückhaften Ausschnitte aus Julias Begegnungen mit den verschiedenen Mädchen, die aus unterschiedlichen Gründen zu ihr kommen, nicht so interessant wie die Szenen, die in der Vergangenheit spielen. Für meinen Geschmack wurden einfach zu viele Mädchen nur ganz kurz vorgestellt, was ich irgendwann ermüdend fand.
Hatte ich anfangs noch Interesse und Mitgefühl für Julia als ein Kind, das nirgendwo so richtig hinzugehören scheint - für die anderen Kinder ist sie zu ernsthaft, von den Erwachsenen wiederum wird sie als Kind nicht für voll genommen - , so baute ich mit dem Fortschreiten der Geschichte eine immer größere Distanz zu ihr auf.
Erst nach und nach enthüllt die Autorin geschickt die Abgründe, die sich hinter Julias undurchdringlicher Fassade verbergen. Zu den anderen handelnden Personen konnte ich ebenfalls keine Beziehung aufbauen; vermutlich ist dies gewollt, um die Beziehungslosigkeit zu spiegeln, mit der Julia ihr Leben als Erwachsene führt.

Margaret Forster hat hier zweifellos eine gut geschriebene und geschickt strukturierte Charakterstudie vorgelegt. Allerdings hat mich "The unknown bridesmaid" nach dem verheißungsvollen Beginn eher enttäuscht und ratlos zurückgelassen; ich weiß nicht so recht, was ich von dem Ende halten soll und was mir die Autorin damit sagen will. Außerdem fühle ich mich als Leserin manipuliert, was mich ärgert. 

Ich habe noch weitere Bücher von Margaret Forster hier liegen, die ich allerdings nicht gleich im Anschluss lesen möchte. Da ich Schwierigkeiten mit der Geschichte an sich hatte und nicht mit Margaret Forsters Erzählweise bin ich optimistisch, dass es auch Bücher von ihr geben könnte, die mir besser gefallen.