Rezension

Wenn digitaler Detox zur Realitätsflucht wird

Zeiten der Langeweile -

Zeiten der Langeweile
von Jenifer Becker

Bewertet mit 2 Sternen

Mila hat genug von den sozialen Medien, Likes und Kommentaren und steigt aus. Sie versucht, ihre Spuren im Internet zu löschen, um digital unsichtbar zu werden. Dabei steigert sie sich mehr und mehr in eine Paranoia hinein.

Ich bin hin und her gerissen, was meine Meinung zu diesem Buch angeht.

Auf der einen Seite finde ich das Thema super interessant und meine Neugierde, wie sich das Experiment digitaler Detox von Mila entwickelt, hat mich auch in die Arme dieses Buches getrieben. Wir alle konsumieren so viele digitale Inhalte jeden Tag, unsere Aufmerksamkeitsspanne wird immer geringer, deshalb finde ich die Idee des Buches sehr gut. Auch die Diskussionen, die Mila mit Freunden dazu führt, haben mir gefallen. Es zeigt einfach, wie normal der Medienkonsum für uns geworden ist und dass wir auf jede neue Welle direkt aufspringen, wenn wir mitreden wollen. Menschen, die das nicht tun, fühlen sich ausgegrenzt und nicht mehr up to date. Auch den Gedanken, wie oft wir vermutlich unfreiwillig Spuren im Internet hinterlassen, weil wir auf Fotos oder Videos fremder Menschen mit aufgenommen werden, fand ich spannend. Insgesamt zeigt es nochmal, dass wir nicht alles selber in der Hand haben.

Auf der anderen Seite fand ich Milas Entwicklung und ihr Umgang mit dem Medienkonsum sehr negativ und erschreckend. Ich denke, dass viele Menschen anders mit dem Thema umgehen würden und Milas Erlebnisse schon sehr extrem sind. Bereits zu Beginn des Buches habe ich mich gefragt, was eigentlich der Auslöser für Mila ist, ihre Spuren im Netz zu löschen und digital unsichtbar zu werden. Ihre Motivation und ihr Ziel waren für mich nicht unbedingt nachvollziehbar. Deshalb fand ich es auch schwierig, mit ihrer Langeweile umzugehen. Ich denke, dadurch, dass sie sich keine adäquate Ersatzbeschäftigung für ihren Medienkonsum gesucht hat, gerät sie immer tiefer in die negative Gedankenspirale. Ich hatte erwartet, dass sie diese bewusste Entscheidung trifft, um z.B. mehr Zeit im realen Leben für bestimmte Dinge zu haben, sich mehr mit der Natur und sich selber auseinander setzen möchte, aber Fehlanzeige. Ihr Ansatz, alles über sich selbst im Internet zu löschen, wird für mich mehr und mehr zu einer Sucht. Man merkt immer mehr, wie sie sich vergräbt und selber von der Gesellschaft ausschließt. Damit einher geht für mich auch ihre immer negativere Stimmung. Sie wird zu einer Außenseiterin und flieht vor dem echten Leben.

Für mich ein schwieriges Buch, da ich mich nicht mit Mila identifizieren kann und ihre Entwicklung schon als sehr extremes Beispiel sehe. Ich denke, viele Menschen würden mit dieser Situation anders umgehen. Aber natürlich setzt das Buch den richtigen Fokus und regt zum Nachdenken über den eigenen Medienkonsum an.