Rezension

Wenn du die Wahl hast, ob du recht behalten oder freundlich sein sollst, wähle die Freundlichkeit.

Wonder - R. J. Palacio

Wonder
von R. J. Palacio

Zum Inhalt: August Pullmann ist zehn Jahre alt, als er erfährt, dass er im Sommer das erste Mal zur Schule gehen wird. Bisher wurde er von seiner Mutter zu Hause unterrichtet, und in seiner Welt gab es bislang eigentlich nur seine Eltern, seine Schwester Via, Hündin Daisy und seinen Freund Christoph, den er schon seit Kindertagen kennt, und dem daher nicht auffällt, wie anders August, genannt Auggie, ist. Denn Auggie leidet aufgrund eines genetischen Fehlers an einer schwerwiegenden Gesichtsdeformation. In den Gesichtern anderer Menschen kann Auggie den Schreck, das Bestürzen und zu oft auch die Abscheu lesen, die andere Menschen bei seinem Anblick empfinden. Dass Auggie nun also zur Schule gehen soll, weckt somit neben spannungsvollem Erwarten auch jede Menge Ängste in ihm – denn gerade Kinder können schonungslos ehrlich sein und August weiß aus Erfahrung, wie verletzend unbedacht ausgesprochenen Worte sein können.

„Ich glaube, es ist so: Der einzige Grund dafür, dass ich nicht normal bin, ist der, dass mich niemand so sieht.“

In Raquel J. Palacios Roman begleitet der Leser August durch sein erstes Jahr an der Middle School, sein erstes Schuljahr überhaupt, und lernt mit ihm, wem er vertrauen kann und wem nicht, wer seine Freundschaft wert ist und wem er lieber aus dem Weg gehen sollte. Dabei wird die Geschichte nicht nur aus Augusts Blickwinkel erzählt, sondern auch seine Schwester Via, Freunde und Klassenkameraden erzählen, wie sie August erleben und was das Zusammenleben mit ihm bedeutet.

Eigene Meinung: Es hat nur wenige Seiten gedauert, bis ich Auggie in mein Herz geschlossen hatte. August wird als sehr liebenswerter, ernsthafter und für sein Alter sehr reifen Jungen geschildert, geschuldet der Tatsache, dass er in seinem jungen Leben schon viel hinter sich gebracht hat und es auch im Zusammenleben mit anderen Menschen nicht immer leicht hat. Dabei versprüht er jedoch einen herrlich schelmischen Humor und hat den festen Willen, aus seinem Leben das Beste zu machen. Denn eigentlich fühlt er sich als ganz normaler Zehnjähriger.

„Für mich bin ich bloß ich. Ein normaler Junge.“

Auggies Traurigkeit, nicht so angenommen zu werden, wie er ist, bzw. einfach ganz normal behandelt zu werden, war aus den Seiten sehr greifbar herauszulesen, und in vielen Kapiteln habe ich mit ihm gelitten und mich selbst gefragt, wie oft man vielleicht schon Menschen, die eine größere Bürde als man selbst zu tragen haben, unabsichtlich und gedankenlos verletzt hat.

„Sie sagte Worte, von denen ich weiß, dass sie mir helfen sollen, aber Worte können mein Gesicht nicht verändern.“

Besonders gut hat mir gefallen, dass die Geschichte nicht nur aus Auggies Sicht erzählt wird, sondern weitere Personen das Wort erhalten. So erfahren wir von seiner Schwester Via, wie es ist, mit einem kleinen Bruder aufzuwachsen, der aufgrund seiner Krankheit immer die volle Aufmerksamkeit der Eltern eingefordert hat.

„August ist die Sonne. Mom und Dad und ich sind Planeten, die die Sonne umreisen. Der Rest unserer Familie und Freunde sind Asteroiden und Kometen, die um die Planeten herumschweben, die die Sonne umkreisen.“

Via liebt ihren kleinen Bruder sehr, doch sie weiß, wie andere Menschen ihn sehen, und damit umzugehen ist nicht immer einfach.

 „Es hatte sich eine Tür für mich geöffnet. Ein kleines Guckloch. Und auf der anderen Seite des Gucklochs gab es zwei Augusts: den einen ich blind vor mir sah, und den, den die anderen Leute sahen.“

Insofern konnte ich ihren Wunsch, auf der Schule auch einfach mal nicht als „das Mädchen mit dem entstellten Bruder“ zu gelten und Auggie zu verschweigen, gut nachvollziehen.

Sehr berührend fand ich außerdem die Sichtweise von Summer und Jack. Summer, die sich in der Schule von Anfang an hinter Auggie stellt, da sie sieht, wie einsam er ist und die außerdem recht schnell merkt, dass August ein „echt cooler Typ“ ist. Und Jack, der sich zu Beginn schwer damit tut, ehrlich zu seiner Freundschaft mit dem „Zombie“, wie August von einigen Schülern in der Jahrgangsstufe genannt wird, zu stehen, seinen Fehler jedoch einsieht und in seiner Loyalität zu August, so wie auch Auggie selbst, im Laufe des Schuljahres über sich herauswächst.

„Ich glaube, das Mutigste, was ich je getan habe, war, mich mit August anzufreunden.“

Die Kapitel sind sehr knapp gehalten, was ich beim Lesen recht angenehm fand und was zu dem episodenartigen Stil des Buches passt.

Fazit: ein wunderbar herzerwärmendes Buch, in welchem viel Weisheit und viele Weisheiten stecken, die jedoch, da der Schreibstil so locker und leicht ist, ganz von allein aus den Seiten fließen. Am Ende war ich sehr stolz auf Auggie, und sehr traurig, ihn wieder verlassen zu müssen.