Rezension

Wenn ein Nachrichtenmoderator einen Krimi schreibt

Der Tod des Landeshauptmanns - Eugen Freund

Der Tod des Landeshauptmanns
von Eugen Freund

Bewertet mit 5 Sternen

Ein kurzes aber gehaltvolles Lesevergnügen mit zahlreichen Anspielungen.

11. Oktober 2008: Auf einer Landstraße in Lambichl kommt der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, unterwegs mit überhöhter Geschwindigkeit, bei einem Verkehrsunfall mit seinem Dienstwagen ums Leben. Während eines Überholvorgangs gerät sein VW Phaeton von der Straße und prallt gegen einen Betonpfeiler. Kollektive Trauer setzt ein im südlichsten Bundesland Österreichs, denkwürdige, zum Teil sehr emotionale Reden seiner Epigonen werden gehalten, und das politische Erbe wird Jahre brauchen, um aufgearbeitet zu werden. Seit dieser denkwürdigen Nacht wollen aber auch Spekulationen und ins Konspirative reichende Theorien zu den genauen Umständen des Unfalls nicht verstummen.

Auf diesen Gedankenspielen setzt der knapp 200 Seiten umfassenden Roman "Der Tod des Landeshauptmanns" von Eugen Freund auf. Der als "Zeit im Bild"-Moderator bekannte gebürtige Wiener kann auf einen großen journalistischen Erfahrungschatz verweisen, unter anderem als USA-Korrespondent des ORF und Verfasserer mehrerer Bücher zur Weltpolitik erwarb er seine Meriten. Sowohl sein umfangreiches Wissen als auch literarisches Geschick vermag er in seinen ersten Roman einzubringen.

Aber wovon handelt dieser?
Die Journalistin Jasmin Köpperl wird mit einer furchtbaren Nachricht konfrontiert: Ihr Freund Stefan Stragger, der beim Heeresnachrichtendienst arbeitet, wurde ermordet. Gemeinsam mit dem Polizisten Franz Bugelnik findet sie heraus, daß es sich bei der Leiche nicht um Stefan handelt - der möglicherweise noch am Leben ist. Unterdessen werden Jasmin per Mail Texte zugespielt, aus denen hervorgeht, daß dem Unfall Jörg Haiders möglicherweise ein Mordkomplott zugrundeliegt. Angeblich hatten sowohl der US-amerikanische Geheimdienst, als auch der Mossad und kroatische Ex-Soldaten Interesse am Tod des Landeshauptmanns. Ist Stefan Stragger einem Geheimnis auf die Spur gekommen, das ihn um sein Leben fürchten läßt?

Wenn ein erfolgreicher Journalist vom berichtenden ins erzählende Genre wechselt, sich vom festen Boden des Faktischen auf das glatte Eis des Fiktiven begibt, so muß das Ergebnis nicht zwingend ein hochwertiger Roman sein. Auch, wenn der Autor bereits mit Sachbüchern reüssiert hat, gelten doch andere Regeln, wenn es gilt, den Leser hellwach zum Weiterblättern zu bewegen.
Jene berufliche Qualifikation, die Eugen Freund als Romanautor sehr zugute kommt, ist die Fähigkeit exakt zu formulieren. Die Sprache der Erzählung ist klar und messerscharf. Gerade die Abwesenheit eines wertenden Untertons läßt die Erzählinstanz in den Hintergrund treten und somit den Leser unvoreingenommen das Geschehen beobachten. Die aus österreichischen Krimis bekannte Affinität zu Unschärfen in der Sprache, sowie das Kokettieren mit dem Morbiden entfallen. Als Konsequenz steht die Handlung selbst im Vordergrund, die aus sich heraus genug Kraft und Gehalt aufweist, um den Leser nach kurzer Zeit mit leuchtenden Augen beim Epilog ankommen zu lassen.
Eine weitere Stärke des Romans ist die fundierte Kulturkenntnis, die der Autor immer wieder einbringt. Als ehemaliger USA-Korrespondent vermag er den Leser anhand beiläufig geschilderter Alltagshandlungen durch die amerikanischen Straßen zu führen, aber auch in Tel Aviv, die kroatische Adriaküste und natürlich Klagenfurt sind es die vielen Details, die diese Orte zu authentischem Leben erwecken. Zitate aus Zeitungen und Nachrichtensendungen sorgen außerdem für die zeitliche Einordnung des Romans.

Auch der Aufbau wirkt wohl konzipiert: Die in der Gegenwart angesiedelte Rahmenhandlung wechselt mit den kursiv gesetzten Erzählfragmenten zu etwaigen Attentatsverschwörungen. Damit setzt der Autor auf die vielfach bewährte Cliffhanger-Technik, womit er einerseits den Leser auf vertrautes Terrain führt, andererseits die Spannung erhält. Einzig die schwerer zu lesenden kursiven Passagen scheinen in ihrem Umfang zu überwiegen und erzeugen somit ein Ungleichgewicht.

Mord und Verschwörungstheorien zu kontroversiellen Persönlichkeiten wie Jörg Haider zu präsentieren, kann nur wenige Jahre nach deren Tod rechtlich und politisch nicht unproblematisch sein. Eugen Freund sichert sich ab, indem er etwaige Attentate nicht nur im Bereich des Möglichen ansiedelt, sondern noch eine weitere Metaebene hinzufügt: Doppelt verpackt als Roman im Roman erzählt, werden drei Parteien ins Spiel gebracht, die Haider nach dem Leben trachten. Somit behauptet Eugen Freund nicht, die Ereignisse haben sich so zugetragen, sondern sie könnten sich vielleicht wie geschildert zugetragen haben.

Fazit:
Beim Romandebüt des prominenten ZiB-Moderators handelt es sich weniger um einen vielschichtigen Krimi, als vielmehr um ein spannendes Gedankenexperiment in origineller Verpackung. Und wenn ausdauernde Kopfabenteurer nach nur kurzer Lesezeit ihre Erwartungen hinterfragen, so wird doch die Freude an der Teilnahme am kunstvollen Spiel mit Fiktivem und Realem entschädigen.