Rezension

Wenn ein Schattenkaiser regiert, wer hält dann das Reich in Händen?

Schattenkaiser - Christoph Hardebusch

Schattenkaiser
von Christoph Hardebusch

Das junge Mädchen Ariadne entkommt nur knapp und mit Hilfe des geheimnisvollen Fremden Dariush dem Überfall auf ihr Heimatdorf. Währenddessen wird Valeria, die Oberbefehlshaberin des imperialen Heeres, in die weit entfernte Hauptstadt beordert - obwohl ihre Fähigkeiten viel dringender zur Verteidigung der Grenze benötigt werden. Zeitgleich macht sich der Rabenschamane Brayn auf den Weg, um Valeria eine geheime Botschaft zu überbringen. Irgendetwas geht im riesigen Imperium der Menschen nicht mit rechten Dingen zu. Doch ist der junge Kaiser in der Lage und willens den wahren Feind zu erkennen?

Cover:
Über nahezu das gesamte Cover erstreckt sich eine gewaltige, blutrote Standarte, die vom Abbild einer mysteriösen schwarzen Maske gekrönt wird. Dazwischen lugen Speere hervor, weit im Hintergrund entdeckt man kriegerische Gestalten. Das Cover verspricht ruhmreiche Schlachten und lockt mit dem geheimnisvollen Abbild. Seine Gestaltung spiegelt gut die Stimmung des Romans wieder.

Schreibstil:
Mit “Schattenkaiser” bin ich zum ersten mal in den Genuss eines Romans von Chistoph Hardebusch gekommen. Detailliert und bildhaft vermag er es, Orte und Charaktere zu beschreiben, insbesondere haben mich häufig die geschilderten Gespräche beeindruckt, bei denen das berühmt-berüchtigte “Kopfkino” besonders angesprochen wird. Ich konnte die Szenen förmlich vor mir sehen, mir die Stimmen der einzelnen Personen vorstellen, sowie die geschilderte Umgebung als “Bühnenbild” wahrnehmen.
Die einzelnen Kapitel lesen sich flüssig, die Atmosphäre ist greifbar. Die Wortwahl ist bis auf einige notwendige “Fachbegriffe” einfach gehalten und gut verständlich. Die Protagonisten sind sorgfältig ausgearbeitet und ansprechend, einzig das Mädchen Ariadne erscheint mir etwas “farblos”, so dass ich bis zum Ende kein klares Bild von ihr vor Augen habe. Möglicherweise ist das beabsichtigt, um Ihre Rolle ein wenig im Dunkel zu halten.
Schwierigkeiten beim Lesen bereiteten mir die, für High Fantasy typischen, zahlreichen verschiedenen Handlungsstränge, die alle mit der gleichen Sorgfalt und Ausführlichkeit behandelt werden, sich aber fast gar nicht überschneiden und erst sehr spät überhaupt in einen Zusammenhang gebracht werden.

Meinung:
Insgesamt erinnern der Aufbau des beschriebenen Imperiums der Menschen, sowie viele verwendete Begriffe, an das Antike Römische Reich, was jedem, der einmal die Nase in einen Asterix Comic gesteckt hat, das Gefühl geben wird, etwas Vertrautes zu lesen. Auch der Romantitel “Schattenkaiser” ist in diesem Zusammenhang geschickt gewählt, deutet er doch an, dass das Imperium möglicherweise bereits den mächtigen Händen des Kaisers entgleitet. Der Kreativität des Autors ist es zu verdanken, dass trotz angenehmer Vertrautheit kein schlechter Abklatsch herausgekommen ist, sondern aus alten Wurzeln etwas erfrischend Neues gewachsen ist. Dabei stellte sich für mich lediglich die Schwierigkeit heraus, die “Regeln” der beschriebenen Welt zu begreifen. Inwieweit Magie vorhanden ist und genutzt werden kann und auch welche Arten von (Lebe-)Wesen ich erwarten kann, waren mir nicht ganz klar. Ich konnte so nur schlecht spekulieren wie die “Auflösung” sein würde, was ich ein bisschen schade fand. Trotzdem sind historische sowie religiöse Hintergründe der erzählten Geschichte gut ausgearbeitet. Für meinen Geschmack hätte es lediglich etwas ausführlicher sein können.

Wie bereits erwähnt, gibt es zahlreiche Handlungsstränge, die mein geringes Konzentrationsvermögen ziemlich herausgefordert haben.
Aus diesem Grund konnte der Roman mich nicht dauerhaft fesseln, denn nach einer Lesepause musste ich mich immer wieder neu orientieren, was mir nur deshalb einigermaßen problemlos gelang, weil die Protagonisten wirklich gut zu unterscheiden sind, ihre Besonderheiten immer wieder geschickt beiläufig erwähnt werden und man sich mmeist problemlos in sie hineinversetzen kann. Namen kann ich mir nicht sonderlich gut merken, trotzdem konnte ich jeden Charakter nach einer oder zwei Seiten “wieder erkennen”.
Oft verlor ich aber nach einem spannenden Kapitel vorübergehend die Leselust, weil im nächsten an einen anderen Handlungsstrang angeknüpft wurde, der mich in dem Moment “gar nicht interessierte” und ich lieber gewusst hätte wie es an einer anderen Stelle weitergeht. Das Erzähltempo bzw die Spannung variieren auch stark, oft wird man von einer extrem spannenden und geheimnisvollen Szene in eine langsamere und vermeintlich unbedeutendere geschubst, was teilweise auch ein wenig meine Lesefreude gehemmt hat.
Trotzdem sind alle einzelnen Handlungsstränge und damit der gesamte Roman sehr gelungen und absolut lesenswert. Wer über die nötige Geduld  und Konzentrationsfähigkeit verfügt, die gut 400 Seiten auf einmal zu verschlingen, wird sicher auch weniger Schwierigkeiten mit den “Anschlüssen” haben.  
Schade fand ich allerdings, dass trotz großartigem Epilog, das Romanende kein wirkliches Ende ist und stark auf eine Fortsetzung hindeutet. Da ich das nicht erwartet hatte, war ich ein wenig enttäuscht.
Die Protagonisten der verschiedenen Handlungsstränge wurden mehr oder weniger in eine typische Cliffhanger-Position gebracht, was ich im Nachhinein als geschickte und sorgfältige Planung deute. Bei einigen Charakteren war mir während des Lesens aber noch nicht klar, dass ich hier das (vorläufige?) Ende ihrer Geschichte erlebe, so dass ich mich schon jetzt kaum noch daran erinnern kann, in welcher Situation sie sich gerade befinden und ich das Buch noch einmal lesen müsste, bevor ich mich über eine mögliche Fortsetzung hermache.
Noch ein Wort zum Prolog: Brilliant!!! Selbst wenn der Rest des Romans schnarchlangweilig gewesen wäre, hätte ich auf jeden Fall weitergelesen, nur um hinter das Geheimnis der ersten vier Seiten zu kommen!

Fazit:
Die letztendliche Beurteilung von “Schattenkaiser” fiel mir sehr schwer. Ein ausgezeichneter Roman, dessen Stil einfach nicht vollkommen meinen Lesebedürfnissen entspricht. Viel zu interessant, um ihn ungelesen ins Regal zurück zu stellen, aber nicht fesselnd genug, um mir schlaflose Nächte zu bereiten. Ich habe mich für vier von fünf Sternen und eine eindeutige Leseempfehlung an alle Fantasy-Begeisterten entschieden!