Rezension

Wenn es nicht der größte Wunsch einer Frau ist, Mutter zu werden - ein Buch, das sich einem Tabu-Thema widmet und so für mehr Verständnis und Toleranz sorgen kann.

Nie, nie, nie -

Nie, nie, nie
von Linn Strømsborg

Bewertet mit 4 Sternen

Die Protagonisten des Romans ist 35 Jahre alt, lebt in Oslo und ist seit acht Jahren mit ihrem Freund Philip zusammen. Sie hat für sich entschieden, keine Kinder zu bekommen und hat auch zu Beginn der Beziehung kein Geheimnis daraus gemacht. Als die beste Freundin Anniken schwanger ist und damit den gemeinsamen Vorsatz gebrochen hat, nicht Mutter werden zu wollen, verändert sich auch die Einstellung von Philip. Er fragt sich, wie die namenlose Ich-Erzählerin sich sicher sein kann, auch später keine Kinder zu wollen und wendet sich von ihr ab. 
Die Hauptfigur hat nichts gegen Kinder, besucht weiterhin ihre besten Freunde, als die kleine Ella geboren ist, aber in ihr regen sich keine Muttergefühle und keine Sehnsucht danach, selbst etwas zu hinterlassen. 
In verschiedenen Situationen wird die Ich-Erzählerin mit ihrer Kinderlosigkeit konfrontiert und erntet in der Regel Verständnislosigkeit. Sie selbst ist jedoch jemand, die gerne mit sich allein ist, die sich stets Auszeiten von ihrem Freund genommen hat und für keinen anderen Menschen ihr Leben lang Verantwortung tragen möchte. 
Interessant ist, dass nicht krampfhaft versucht wird, einen konkreten Grund für ihre Entscheidung für Kinderlosigkeit zu präsentieren. Hier spielt weder eine Karriere, noch ein aufwändiges Hobby oder die Meinung, dass die Welt zu kaputt für Nachwuchs ist, eine Rolle. Sie möchte einfach nicht. Punkt. 

"Nie, nie, nie" ist ein Roman, der sich einem Tabu-Thema widmet, was durch die Namenlosigkeit der Protagonistin noch betont wird. So erhält man das Gefühl, dass sie anonym bleiben möchte, denn der Wunsch einer Frau, keine Kinder in die Welt zu setzen, wird gesellschaftlich nicht anerkannt. 
Das Buch bleibt dabei völlig wertfrei. So werden glückliche junge Familien vorgestellt, aber auch junge Eltern mit Startschwierigkeiten. Kinder sind kein Horrorszenario, aber eine Familie ist auch keine Garantie für Glück, Zufriedenheit und sich nicht doch einsam zu fühlen. 
Die Geschichte ist nüchtern und episodenartig geschildert, Gefühlsausbrüche der Protagonistin erhofft man vergebens. Sie bleibt in ihrer Entscheidung konsequent, verteidigt sie aber nicht leidenschaftlich. 

Das Buch lässt sich in einem Rutsch lesen, denn die Kapitel sind kurz, der Umfang insgesamt kompakt. Das Thema Kinderlosigkeit ist sehr zentral und lässt keinen Raum für den Rest des Lebens der Protagonistin. Auf jeder Party, in jedem Café, bei jedem Treffen mit alten Freunden oder guten Bekannten steht in irgendeiner Form immer die Frage nach dem Kinderkriegen im Mittelpunkt, was mir in der Summe zu viel war. Gerade wenn man sich keine Kinder wünscht, hätten auch noch andere Interessen der Protagonistin in Erscheinung treten können. Auch fand ich es schade, dass sie sich überhaupt nicht mit ihrer gescheiterten Beziehung zu Philip auseinandersetzt oder ein Gespräch mit ihrer Großmutter sucht, die für die Mutterrolle nicht geschaffen war. 

"Nie, nie, nie" ist ein Aufruf zu mehr Toleranz und eigentlich sollte es nicht verwundern, dass es Frauen ohne Kinderwunsch gibt, sondern dass es heutzutage noch nötig ist, so eine persönliche Entscheidung rechtfertigen zu müssen. Schließlich sind Menschen, Beziehungen und Familienkonstellationen so vielfältig und lange nicht mehr auf das klassische Modell Vater-Mutter-Kind beschränkt. Vielleicht kann das Buch insofern für mehr Verständnis für einen eher ungewöhnlichen Lebensentwurf sorgen. 

Kommentare

Schneeweißchen kommentierte am 01. Mai 2021 um 22:26

Toll geschrieben von dir und so wahr!