Rezension

Wenn Flüchtlinge ein Gesicht bekommen

Gehen, ging, gegangen
von Jenny Erpenbeck

Bewertet mit 5 Sternen

Richard, Witwer und emeritierter Philologieprofessor, ist neugierig auf die afrikanischen Flüchtlinge, die sich auf dem Berliner Oranienplatz angesiedelt haben. Er nähert sich ihnen langsam und bedächtig an und nimmt Kontakt zu ihnen auf. So bekommen "die Flüchtlinge"  einen Namen und ein Gesicht. Richard nimmt mit den Männern zusammen den Kampf gegen Bürokratie und Vorurteile auf - ein Kampf gegen Windmühlenflügel...

Unsentimental und weitgehend sachlich beschreibt Jenny Erpenbeck die langsame Verwandlung Richards von einem einsamen alten Mann zu einem engagierten Helfer und Begleiter, der in seiner neuen Arbeit auch seine eigenen Enttäuschungen und Verluste verarbeitet.

Manche von Erpenbecks Sätzen möchte man sich einrahmen, so fein ziseliert und zutreffend sind sie.

Der Schluss ist leider eine Portion zu viel "heile Welt". Gerade in der heutigen Situation hätte mir ein realistischeres Ende besser gefallen.

Trotzdem sollte man das Buch auch wegen seiners aktuellen Bezugs unbedingt lesen. Es hilft zu verstehen, warum so viele junge Männer ihre Heimat verlassen und bei uns so etwas wie Glück oder auch "nur" ein menschenwürdiges Leben suchen und welche Hindernisse die deutsche Gründlichkeit und Bürokratie für sie aufbaut.

Kommentare

Federfee kommentierte am 02. August 2016 um 13:17

Mir hat Erpenbecks Buch auch gut gefallen. Interessant, wie wissenschaftlich und sachlich Richard an die Sache heranging und wie dann mehr und mehr die Menschen 'dahinter' zum Vorschein kamen.

Ich bin übrigens auch schon etwas älter ;-)