Rezension

Wenn man Shakespeare obendrüber schreibt, ist es dann automatisch toll?

Die Hölle ist leer - die Teufel sind alle hier - Gerhard Roth

Die Hölle ist leer - die Teufel sind alle hier
von Gerhard Roth

Bewertet mit 3 Sternen

Was ist Kunst? Was ist gute Kunst? Der geneigte Leser mache sich bitte selber ein Bild.

Atmosphäre entwickelt Gerhard Roth mit seinem Roman, „Die Hölle ist leer, die Teufel sind alle hier“, dessen Titel ein Zitat aus Shakespeares Theaterstück „Der Sturm“ ist, überreichlich. Die Lagune von Venedig mit ihren einsamen Inselchen und Wasserwegen, bildet die Bühne Gerhard Roths. Darauf tummelt sich zahlreiches Personal, zahlreiche Theaterschauspieler treten auf und ab, die meisten haben lediglich eine Pseudofunktion. 

In die Lagune von Venedig hat sich Roths gescheiterter Held Emil Lanz, ein Sprachengenie und Übersetzer klassischer Werke, also verkrochen. Seine Ehe hat er in den Sand gesetzt, weil ihm mehrere Dutzend Zimmer voller Bücher wichtiger waren als seine Ehefrau und als sie unerwartet stirbt, taugt ihr Besitz immerhin noch dazu, ihm eine kleine Villa auf dem Lido zu ermöglichen. 

Dummerweise ist der Held ein wenig depressiv, er hat zwei Pistolen mitgenommen, und dass er sich gedanklich damit beschäftigt, dass das Leben dunkle Materie ist, hilft ihm nicht gerade, sein Leben zu genießen. Auch nicht sein Alkoholkonsum. Jeder weiß, dass Rotwein und Depression und Pistols sich nicht gut vertragen. Als er beschließt, sich umzubringen, geraten die Dinge außer Kontrolle. Eine Dantesche Hölle entwickelt sich. 

 

Die Kritik, die eine ausschließlich persönliche ist: 

Eine Zeitlang hat es mir durchaus Spaß gemacht, dem Helden in allerhand wirre und konfuse Handlungsstränge hinein zu folgen. Morde, Lieben, Helfer, Feinde, ein totes Mitgrantenmädchen, Verfolgungen (wobei nicht immer klar ist, wer wen verfolgt), Mäzene, der Luftgeist Ariel und ganz viel Hin– und Her. In Venedig und Umgebung. Viele Inselchen, die ich gar nicht kannte. 

 

Aber nach Dreiviertel des Romans wird mir klar, dass schöne Worte alleine nicht reichen, mögen sie noch so schön und eloquent vorgebracht werden, es muss ein Minimum an Sinn vorhanden sein, damit ich einen Roman schätzen kann. Hätte Roth mir doch wenigstens einen einigermaßen rationalen Schluss gegönnt. Dann wären wir vielleicht noch Freunde geworden. Sind wir nicht Herr Roth, sind wir nicht.

 

Zu schreiben „um sich von Wort zu Wort zu bewegen“, denn genau so schildert der Held, nach seinem Beruf befragt, seine Tätigkeit, mag dem Schriftsteller ausreichen und ihm einen Höllenspaß machen, der germanistikunstudierten Leserin war es zu wenig. Die Handlung führt ins Leere. Von daher hätte der Roman genau so gut ungeschrieben bleiben können. Er war eine Zeitverschwendung. Die Myriaden von Anspielungen auf Shakespeare und andere Schriftsteller und Maler, sind, so in die Luft gestellt, gerade mal ausreichend für ein lahmes „Aha“. Wenn man Shakespeare obendrüber schreibt, ist es dann automatisch toll? „Shakespeare ist tot, wann versteht das die Welt?“ (Bonmot, geklaut).

 

FAZIT: Gepflegte Langeweile in der Lagune von Venedig. Bildungsbügertätschelei. 

Drei Punkte gibt es dennoch wegen der Sprachkunst. 

 

Kategorie: Anspruchsvoller Roman
Auf der Longlist des österreichischen Buchpreises, 2019
Verlag: S. Fischer, 2019