Rezension

Wenn Monster nicht gleich Monster ist.

Die Berufene - M. R. Carey

Die Berufene
von M. R. Carey

Bewertet mit 4 Sternen

~~Melanie lebt in einer nicht weit entfernten Zukunft, 20 Jahre nach dem Ausbruch einer Pandemie, welche die Menschheit in wenige Enklaven vertrieben hat. In England nennt sich diese Beacon und ist einige Tagesmärsche von dem Stützpunkt entfernt, auf dem sie wohnt. In dem Niemandsland dazwischen regieren die Hungernden, infizierte Menschen, die von einem Pilzgeflecht ferngesteuert einem brennenden Hunger auf Fleisch nachgehen müssen.
 Als eines Tages der Stützpunkt überrannt wird muss Melanie zusammen mit vier Menschen fliehen, darunter ihrer geliebten Miss Justineau. Bei dieser Flucht muss sie bereits zu Beginn feststellen, dass sie scheinbar gänzlich anders ist als die anderen Menschen, denn auch sie verspürt diesen Hunger der Hungernden.

“Die Berufene” spielt in einer postapokalyptischen Welt, in der die Menschheit sich in wenige Regionen zurückgezogen hat und dort um ihr Überleben kämpft. Ähnlich wie bei klassischen Zombiegeschichten wird der Erreger durch den Biss eines Infizierten übertragen und der Betroffene mutiert innerhalb kürzester Zeit zu einem Wirt eines hungrigen Parasiten. Melanie gehört zu einer kleinen Schar Kinder, die anders auf den Erreger reagieren. Obwohl sie hochgradig infiziert sind und ebenfalls den Hunger verspüren sobald sie einen Menschen riechen können, hat sich ihr Verstand nicht aufgelöst und sie agieren wie normale Kinder.
 Auf dem stark bewachten Militärstützpunkt wird an den Kindern geforscht, da sich die dort praktizierende Dr. Caldwell erhofft einen Impfstoff oder gar ein Gegenmittel zu entdecken. Sie geht dabei sehr skrupellos und zielorientiert vor.

Mich hat die Geschichte um Melanie wirklich in ihren Bann gezogen. Eine zombieeske Zukunftsversion, die sich aber allen voran damit beschäftigt, wie weit ein Mensch gehen darf für die Wissenschaft und ein Heilmittel und wo Menschsein beginnt und wo es aufhört. Das Buch stellt in etwa eine Mischung aus “The Walking Dead” und Richard Mathesons “Ich bin Legende” dar und auch die Pandora-Sage wird immer wieder thematisiert.

M.R. Carey zeigt in dieser Welt verstörende Bilder auf. Dr. Caldwell benutzt ihre Testobjekte sehr skrupellos und als das erste mal beschrieben wird, wie sie mit einem infizierten Kind in ihrem Labor umgeht ist mir schon die Luft weggeblieben. Ein sehr heftiges Bild in meinem Kopfkino, von dem ich mir zu dem Zeitpunkt gewünscht hätte es wäre nicht mit so viel Phantasie ausgestattet gewesen. Das Buch zeigt immer wieder ähnlich intensive Szenen, die sich einbrennen und von ihrer Tragweite beeindrucken. Ich konnte das Buch streckenweise nicht mehr aus der Hand legen, es war mir unmöglich, so sehr haben mich diese Bilder in ihren Bann gezogen.

Die Charaktere sind allesamt interessant gestaltet, meistens auf ihre eigene Art sympathisch und wirken real. Hauptsächlich wird die Geschichte aus der Sicht Melanies und mit zunehmendem Verlauf auch aus der Sicht von Miss Justineau geschildert, doch auch Sergeant Parks, Private Gallagher und Dr. Caldwell werden ausreichend ausgebaut und plastisch dargestellt. Etwas vorhersehbar waren leider die sich entwickelnden Beziehungen untereinander.

Im Fortlauf der Geschichte taucht man immer mehr in die Welt der Hungernden ab und obwohl all dies sehr tragisch, sehr bestürzend und deprimierend erscheint schafft es das Buch auch immer wieder Momente der Wärme und der Menschlichkeit zu erzeugen, die ein ausgewogenes Bild abgeben. Es ist interessant zu beobachten wie sich die Protagonisten hierbei entwickeln, wie neue Situationen zu neuen Schlussfolgerungen führen und wie die Grenze zwischen Mensch und Hungernden immer weiter verschwimmt.

“Die Berufene” ist eine definitive Leseempfehlung für alle Fans von postapokalyptischen Geschichten, die neben Monstern auch der Sinnfrage nachgehen mögen, was einen Menschen ausmacht. Ich habe die Geschichte sehr gerne gelesen und werde nach weiteren Werken von M.R. Carey Ausschau halten.