Rezension

Wenn Schlaflosigkeit verbindet - ein stiller Roman gegen das Funktionieren

Der Schlaf der Anderen -

Der Schlaf der Anderen
von Tamar Noort

Bewertet mit 5 Sternen

Wunderbares Buch über zwei Frauenleben, die sich begegnen und beeinflussen

Schon nach den ersten Seiten war mir klar, dass mich dieses Buch auf ungewöhnliche Weise bindet. Die feinfühlige Annäherung an zwei Frauenleben, die unterschiedlicher kaum sein könnten und sich doch auf eine Weise begegnen, die zutiefst berührt, zog Parallelen zu meinem eigenen Lebensverlauf. 

Sina, die im Alltag zwischen Mutterrolle und Lehrberuf fast zerbricht, landet in einem Schlaflabor, weil sie seit Jahren nicht mehr zur Ruhe kommt und nachts nicht in den Schlaf findet. Janis ist die Nachtwache in ebendieser Klinik, lebt in einem selbstgewählten Rhythmus fernab vom Gewohnten aber auch fernab von echter Nähe. Als sich die beiden in einer Nacht begegnen, beginnt eine leise, aber intensive Freundschaft, die beiden den Anstoß gibt, eingefahrene Wege zu hinterfragen.

Was mich besonders überzeugt hat, ist die große Authentizität der beiden Hauptfiguren. Man merkt sofort, dass die Autorin ihnen mit viel Empathie und einem genauen Blick begegnet. Die Themen, die sie aufgreift sind Schlaflosigkeit, Erschöpfung, gesellschaftliche Erwartungen an Frauen, aber auch die heilende Kraft echter Verbundenheit. Und dies nah an der Lebensrealität vieler Lesender. Dabei gelingt es der Autorin, all das weder dramatisch aufzubauschen noch zu verharmlosen. Stattdessen bleibt sie ganz nah bei ihren Figuren und gibt ihnen Raum, sich zu entwickeln.

Sprachlich ist der Roman ruhig und unaufgeregt, klar und sehr stimmig und in einer besonderen Weise fesselnd. Sehr überzeugend fand ich die Verbindung von inneren Zuständen und dem Motiv des Schlafs, der Schlaf als Sehnsuchtsort, als Spiegel der Seele, als Symbol für Loslassen oder Festhalten. 

Ein stilles, eindringliches Buch über Erschöpfung, Aufbruch und die Kraft unerwarteter Begegnungen. Für alle, die sich manchmal selbst verlieren und wiederfinden wollen. Eine klare Leseempfehlung.