Rezension

Wenn schon der Ururgroßvater Tagebuch schreibt ...

Wozu wollen Sie das wissen? - Alice Munro

Wozu wollen Sie das wissen?
von Alice Munro

Bewertet mit 4 Sternen

In den ersten Geschichten, die Alice Munro in diesem Band über ihre schottischen Vorfahren erzählt, hätte ich gern genauer gewusst, in welchem Verhältnis die genannten Personen zur Autorin stehen. Spätestens an dem Punkt, als in einer Geschichte eine Kurzgeschichte auftaucht, die in einer Zeitschrift veröffentlicht wurde, die wiederum die Schwestern Bronte lasen, hatte Alice Munro mich eingefangen. Munro geht sieben Generationen zurück zu zunächst unbekannten Vorfahren und nähert sich dann über Großvater und Vater der Gegenwart. James Laidlaw, der an Bord eines Auswandererschiffes Tagebuch führte, weist bereits auf für schottische Bauern ungewöhliche Interessen dieser Familie hin. Munros Vater nahm zusätzliche Arbeit an und begann, Füchse zu züchten, weil der Ertrag seiner Farm nicht ausreichte. In einer Familie, in der schon immer gern erzählt wurde, wundert es nicht, dass Munros Vater als alter Mann Freude am Schreiben entwickelt und ein Buch über eine schottische Auswanderfamilile schreibt.

Die zweite Hälfte der Erzählungen dreht sich um Munros Jugend. In ländlicher Umgebung, in der Besucher danach beurteilt werden, ob sie melken oder ausmisten können, muss Alice mit ihrem Interesse an Büchern eine äußerst ungewöhnliche Tochter gewesen sein. Das eigenartige Interesse der Tochter am Schreiben lässt Alices Eltern fürchten, dass sie keinen Mann finden und lebensuntüchtig bleiben wird. Wie gern Alice liest, verheimlicht sie vorsichtshalber und reagiert verlegen, als ein Förderer ihre heimliche Leidenschaft entdeckt. Schlaue Mädchen wurden noch misstrauischer beobachtet als schlaue Jungen, erzählt Munro. In Russel Craig findet sie einen Jugend-Gefährten, der ihren Traum teilt, einfach unter einem blühenden Baum zu liegen und nach oben zu blicken. Die Erzählungen um die jugendliche Alice zeigen die kanadische Autorin wieder so, wie ihre Leser sie aus zahlreichen Bänden mit Erzählungen kennen. Mit ihrer Ahnenforschung und ihren Besuchen auf Friedhöfen gibt die Autorin den chronologisch aufeinanderfolgenden Erzählungen einen Rahmen und schafft für sich selbst eine Verbindung zwischen Namen und den in ihrer Erinnerung lebenden Menschen.

Die teils fiktiven, zu Beginn verwirrenden Erzählungen über Alice Munro und ihre Vorfahren werden Leser mit Interesse an Schottland, Kanada und an Auswanderer-Schicksalen ansprechen.