Rezension

Wenn vergrabene Wahrheiten und Lügen eine erschreckende Familiengeschichte offenbaren

Hundert Lügen - Alice Gabathuler

Hundert Lügen
von Alice Gabathuler

Bewertet mit 5 Sternen

Alice Gabathuler hat mich mit „Hundert Lügen“ überzeugt. Es ist eine bis ins kleinste Detail verwobene und mit Hochspannung versehene Familientragödie, die zum Nach- und Mitdenken einlädt. Das Mitfiebern fällt dank eines flüssigen Schreibstils leicht. Dieses Buch ist nicht nur für Teenager, sondern auch für die etwas ältere Generation gut geeignet.

Zum Inhalt

Manon war fünf. Kris war sieben Jahre alt, als Ihr Vater beide zum Ferienstart in ein Sommercamp geschickt hat. Waren sie vorher noch unzertrennliche Geschwister, die gemeinsam als Prinzessin und Drache eine unbeschwerte Kindheit erlebt hatten, änderte dieser Sommer alles und die gesamte Familie brach in der Folge zusammen. Beide Kinder verdrängten in den kommenden zehn Jahren ihre Vergangenheit und die Geschehnisse im Sommercamp. Kris läuft vor seinem inneren Drachen davon und Manon quält sich mehr schlecht als recht durch ihr Leben. 

Plötzlich werden sie zu ihrem Vater zitiert. Stig, ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann, sieht seine Familie bedroht und möchte sie im Umfeld seines großen Sicherheitsteams wissen. Hierbei kommen Kris und Manon nach einigen Jahren erstmals wieder in engeren Kontakt und können ihre verdrängten Erlebnisse miteinander austauschen. Doch letztlich wiederholt sich die Geschichte und Kris und Manon geraten dabei nicht nur in große Probleme, sondern werden auch schlimmen Taten verdächtigt. Sie müssen auf ein Leben zurückblicken, dass vor allem aus Lügen und Geheimnissen bestand.

Mein Eindruck:

Ich habe diese Geschichte verschlungen. Aus zwei zunächst etwas ungewöhnlich wirkenden Jugendlichen, die beide mit ihrer Vergangenheit hadern, entwickeln sich rasch zwei liebenswerte Persönlichkeiten. Kern aber ist ein Gerüst aus unausgesprochenen Wahrheiten. Das Leben der beiden besteht fast ausschliesslich aus vergrabenen Wahrheiten und Lügen. Beide leiden unter der verdrängten Vergangenheit, ohne wirklich zu wissen, was in diesem Sommercamp wirklich passiert war und warum schließlich ihre Familie daran zerbrochen ist. Dass sich beide nun nach zehn Jahren im Teenageralter wieder näher kommen und dabei über ihren eigenen Schatten springen, hat mich sehr berührt.

In der sehr spannenden zweiten Hälfte des Buches überschlagen sich die Ereignisse und die versteckten Wahrheiten der Vergangenheit kommen nach und nach an die Oberfläche. Die Geschehnisse in der Gegenwart, aber auch die der Vergangenheit sind sehr fein miteinander verwoben und hervorragend konstruiert. Sowohl Handlung als auch die Hintergründe fesselten mich daher über das gesamte Buch.

Der Schreibstil der Autorin hat mir sehr gefallen. Er ist dem Alter der Protagonisten und der Leser angepasst und zu jedem Zeitpunkt flüssig. Die Geschichte wird ausschließlich aus der Perspektive von Kris bzw. Manon beschrieben. Vor allem aber die Beschreibung der Vergangenheit aus der Sicht der damals fünf- bzw. siebenjährigen Kinder findet meine hohe Beachtung.

Das Ende der Geschichte und ihre Auflösung haben mich nachdenklich zurückgelassen. Nicht nur, dass ich mir das weitere Leben der Charaktere vorstelle, sondern stelle ich mir vor allem folgende Frage: Ist es wirklich etwas Wert, den beruflichen Erfolg über die Familie zu setzen oder sollten wir unsere Wertigkeiten ab und an einfach mal überdenken ?

Mein persönliches Fazit:

Eine rundum gelungene Geschichte. Sympathische Charaktere werden durch eine exzellente Handlung und hoher Spannung und einem tollen Schreibstil in Szene gesetzt. Dieses Buch möchte ich mit gutem Gewissen weiter empfehlen.