Rezension

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Wer gibt mir die Zeit wieder, die ich mit diesem Buch verschwendet habe?

Das Meer in deinen Augen - Lino Munaretto

Das Meer in deinen Augen
von Lino Munaretto

Bewertet mit 1.5 Sternen

Spätestens nach Teilnehmen an der Leserunde weiß man, worum es in dem Buch geht. Für alle anderen: eine Gruppe von Jugendlichen geht mit dem Tod eines Freundes um. Und das auf sehr unterschiedliche Art und Weise.

Das mal vorweg. Nun möchte ich sagen: das Buch ist schlecht. Es ist so schlecht, dass ich mich fast schon lieber nocheinmal durch Törleß quälen möchte anstatt Das Meer in deinen Augen noch einmal in die Hand zu nehmen, geschweige denn es zu öffnen. Die Charaktere sind alle so unfassbar oberflächlich und dumm, dass mir beim Lesen wirklich Hören und Sehen vergangen ist. Ein Dutzen mal wollte ich das Buch einfach in eine Ecke werfen und das nächste anfangen, aber ich wollte ja eine Rezension schreiben.

Das Gute an dem Buch will ich zuerst raushauen: mir hat die Erzählperspektive teilweise gefallen. Ich fand es gut, dass der Autor den Zeitpunkt und den Umstand des Todes als Prolog gewählt hat und dann in den folgenden Kapiteln es erst zur Mitte hin zum Tod von Luka gekommen ist und die eigentliche Handlung erst danach kommt. Aber die kommt meiner Meinung nach aber irgendwie nicht. So viel zum Guten.

 Wir lernen also eine handvoll Jugendliche kennen, die alle versuchen, mit dem Tod von Luka klarzukommen. Da gibt es (obwohl er tot ist lernen wir ihn noch kennen, aber nicht so, als dass er uns fehlen wird, wenn er stirbt) Luka, den verträumten, "einzelgängerischen" Mädchenschwarm der sparsam und bedacht ist was Mädchen angeht und eben kein Weiberheld ist. Finn, der alles vögelt was nicht bei drei auf den Bäumen ist und auch sonst keine großen Moralvorstellungen vom Leben hat. Somit bildet er also das krasse Gegenteil zu Luka. Zum Schluss (der Jungs) gibt es noch Ben(jamin) um den es eigentlich geht und der – ÜBERRASCHUNG! – ein genaues Mittelding ist zwischen Luka und Finn. Wer hätte es gedacht. Eigentlich ekelt er sich vor sich selbst, ist aber zu stolz, sich zu ändern, weil er Angst hat, seinen Ruf zu verlieren. Er schmeißt das Geld nur so zum Fenster raus, weil es bei ihm Gang und Gebe ist. Ich musste wirklich bei solchen Sequenzen die ganze Zeit an Gossip Girl denken.

Die weibliche Hauptrolle hat in diesem Gruselkabinett Emma übernommen, die sich, was Jungs angeht, eher zurückhält und keinen an sich ranlässt, auch Luka eigentlich nicht, und immer brav und das gute Mädchen ist. Ihre Freundin Lilly (heißt sie glaube ich) ist ihr genaues Gegenteil und sagt es auch so „Du bist das gute und ich das böse Mädchen von uns beiden.“ (oder so ähnlich). Was für ein ZUFALL!

Das Buch bedient sich natürlich dem Klischee, dass Mädchen Schlampen sind sobald sie mehr als einen Typen in zwei Wochen hatten. Die Kerle sind natürlich alles Helden, je mehr Mädels sie schaffen abzuschleppen. Ich finde es schrecklich. Wie kann man noch immer so denken? Meine Güte, man lebt nur einmal! Und auch wenn viele Menschen noch so denken, die das Buch lesen, werde diese dann auch noch angestachelt durch diese Lektüre. Grauenhaft.

Schon am Anfang ist mir aufgefallen, dass die Handlung sehr sprunghaft ist und kaum lange auf einem Fleck verweilt. Der Autor geht nicht wirklich auf eine Sache ein sondern  kratzt nur etwas an der Oberfläche. Die Charaktere sind passend zur Handlung ebenfalls sprunghaft, unnahbar und kaum zu verstehen. Ihre Handlungen sind oft nicht nachvollziehbar und identifizieren konnte ich mich mit keinem von ihnen. Sie lassen mich allesamt kalt.

Nach Lukas Tod versucht Finn, ihn durch seinen Hooligan-Bruder zu ersetzen was ich als einziges nachvollziehen kann, aber dies bleibt nur eine kurze Episode in dem Buch. Hier hätte man die Geschichte viel weiter ausbauen können und vielleicht gar keine Liebesgeschichte daraus machen sollen. Allgemein fand ich, dass das Buch eigentlich viel Potenzial hatte, aber nichts daraus entstanden ist. Ben hilft seinem Opa im Alltag, weil er selbst nicht viel machen kann und lernt dabei sein eigenes Leben viel mehr zu schätzen? Hey, was für eine tolle Idee für eine family bonding, Coming of Age-Geschichte! Aber nein, natürlich wird das ausgelassen. Schade drum.

Wie oft der Ausdruck „kalt lassen“ in dem Buch vorkommt, ist der helle Wahnsinn. Was Benjamin im gesamten Verlauf der Geschichte alles kalt lässt, ist der helle Wahnsinn. Man könnte meinen, ihm ist alles egal! So wie mir dieses Buch ist.

SPOILER ALERT!

Ben, Finn und überraschenderweise Emma, die sich von jetzt auf gleich zu Ben hingezogen fühlt, unternehmen einen Ausflug, auf dem Ben und Emma im Vollsuff miteinander schlafen. Zur Erinnerung: Emma hat nicht mal Luka rangelassen, und sie war auch in ihn Hals über Kopf verliebt. Finn rastet also gerechterweise aus, als er sie am Morgen danach erwischt. Wäre ich auch. Lächerlich ist aber, dass er genauso schnell darüber hinwegsehen kann. Könnte ich nicht. Der arme Luka im Himmel! Meine Gedanken als die beiden gevögelt haben: „Na klaaar! Boah wie behindert! Erst die Nonne spielen, sich aber dann dem erstbesten hingeben! Und das am besten noch im Alkoholrausch, damit man eigentlich nachher bereuen kann, was man getan hat, sie es aber mit einem vermeintlichen Schulterzucken abtut. Meine Fresse!“

Ja.

Ich habe schon fanfictions gelesen, die um Längen besser waren als dieses Buch. Viel viel besser. Wenn das so ist, kann ja jeder ein Buch schreiben und es veröffentlichen. Kommt das gleiche bei raus.