Rezension

Wer ist der Andere?

Wisting und der Atem der Angst
von Jørn Lier Horst

Bewertet mit 5 Sternen

»Wir haben die Kontrolle über die Zielperson verloren. Er ist bewaffnet und bewegt sich zu Fuß in südöstlicher Richtung.«

Eine Ortsbegehung wird zum Desaster. Tom Kerr, ein zu 21 Jahren plus anschließender Sicherungsverwahrung verurteilter Serienmörder, hat angeboten, die Polizei zu der Stelle zu führen, an der er ein weiteres Opfer vergraben hat. Trotz umfangreicher Sicherheitsmaßnahmen gelingt Kerr eine spektakuläre Flucht. Eine brandgefährliche Situation, Kerr gilt als Raubtier, das mit Sicherheit weiter morden wird. Doch die Lage ist tatsächlich noch schlimmer, denn seit mittlerweile 5 Jahren fahnden die Ermittler schon nach „dem Anderen“. Kerr agierte nicht allein, sein Partner im Verbrechen gilt als hochintelligent, hat mit Sicherheit Kerrs aufsehenerregende Flucht geplant und auch bereits angefangen, die Serie allein fortzusetzen…

 

Auch dieser dritte Cold Case für Kommissar Wisting fesselte mich von der ersten Seite an. Der Autor hat es wirklich raus, die Handlung lief stetig wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Präzise werden die Flucht und die anschließende Jagd beschrieben, natürlich verschwindet innerhalb kurzer Zeit erneut eine junge Frau und an anderer Stelle wird eine Leiche gefunden, die eindeutig zu den Tätern passt. Das Ziel der Ermittler ist ganz klar: Kerr und den Anderen finden. So schnell es geht. Und möglichst natürlich, bevor die junge Frau ebenfalls zur Leiche wird.

 

Wisting, sein Kollege Stiller von der Cold Case Unit in Oslo und Wistings Tochter Line, eine freiberufliche Journalistin, sind zutiefst schockiert, als sie Details über die Praktiken der Mörder erfahren. Ein Horrortrip in die Tiefen der menschlichen Psyche. Der Fokus liegt auch bei diesem Krimi wieder klar bei der akribisch geschilderten Polizeiarbeit, Täter „bei der Arbeit“ erlebt man nicht. Trotzdem ist das, was aus Akten und Gesprächen hervorgeht, heftig und nicht für sensible Leser geeignet. Zudem wird es speziell zum Ende hin sehr spannend, bei mir wurde beinahe schon beim Lesen ein Fluchtreflex ausgelöst ;-)

 

Das Privatleben der Ermittler ist nur von untergeordnetem Interesse, es gibt weder persönliche Dramen, noch nettes Geplänkel oder gar Liebesgeschichten. Dafür aber stimmige, spannende und realistische Polizeiarbeit. Ich freue mich schon auf den nächsten Band, der kommenden Monat erscheint. Nach meiner Einschätzung (bislang drei gelesene Bände der Reihe) können alle unabhängig voneinander gelesen werden.

 

Fazit: Wer ist der Andere? Intelligenter Krimi, spannend und mit viel Realismus.