Rezension

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Wer ist hier der kranke Geist

Janusmond - Mia Winter

Janusmond
von Mia Winter

~~Leon Bernberg reist ins südfranzösische Louisson, um seine seit zehn Jahren verschollene Zwillingsschwester Lune von Amts wegen für tot erklären zu können. Vor Ort gerät er an den pflichbewussten Polizisten Christian Mirambeau, der den Fall neu aufrollt und seine eigenen ermittlungen anzustellen beginnt. Je länger beide Männer auf den Spuren der eigenwilligen, provozierenden und faszinierenden Lune wandeln, desto mehr geraten sie in ihren Bann. In der Hexenhitze, die in den folgenden Tagen über Louisson hereinbricht, geschehen plötzlich schreckliche Morde, die mit Lunes Erlebnissen in dem Sommer, in dem sie spurlos verschwand, in Zusammenhang zu stehen scheinen. Je tiefer sich Mirambeu in die Abgründe dieses Falls und seiner Heimatstadt hinabwagt, desto mehr verstrickt er sich in die perfiden Manipulationen eines kranken Geistes und verspielt fast sein eigenes Glück ...

Mia Winters "Janusmond" ist auf verstörende Weise großartig. Die Vision der doppelgesichtigen Januszwillinge vermischt sich mit der brütenden Hitze dieses Sommers zu einer gewaltigen Spannung.
Das intelligente Verwirrspiel, was sich zwischen den Seiten entspinnt, fesselt und stößt gleichzeitig auch ab. Man möchte nicht weiterlesen, nicht in die krakne Gedankenwelt eines nach außen hin reichlich normalen Menschen blicken, und kann doch nicht aufhören. Die Spannung steigert sich konstant und lässt einen zum Ende hin atmenlos zurück.
Was ich mir aber gewünscht hätte, wäre eine ausführlichere Auflösung der Tat und der zu ihr führenden Begegnungen gewesen, die zu Lunes Verschwinden führt. So bleiben die Mordopfer in diesem Buch, die alles andere als unschulgige Opfer sind, etwas blass.
Auch lässt sich Christians Frau für meinen Geschmack etwas zu leicht von dem Charme und den Zweifel aufwerfenden Fragen ihrer Hausgastes verleiten.
Letzten Endes aber bleibt die Geschichte aufregend und brutal. Die Schilderungen der kranken Folter in der Kellerbar sind nur schwer zu ertragen. Sie legen die kränkesten Bedürfnisse der Menschen offen.
 
Die Covergestaltung ist eine Wucht. Das surrelae Licht und die trist wirkende Gasse mit dem über ihr stehenden dunklen Mond vermittelt eine bedrückende, unheilschwangere Stimmung. Die roten Akzente sorgen für den nötigen Schliff. Der schwarze Buchschnitt ist raffiniertes Beiwerk.

Abschließend kann ich sagen, dass ich, einmal von der Geschichte gefangen, nicht mehr von ihr ablassen konnte. Der Sog, den die Vorahnungen und die Gewalt dieses Buches erzeugen, ist auf abstoßende Weise fesselnd. Man ist gefangen im Netzt der Manipulationen und wird letztlich doch allein gelassen mit der Frage, wer hier die Wahheit sagt und wer der große Manipulator ist.Die allerletzte Aussage trifft es genau: Wer weiß schon, wer gerade die wahren Verrückten sind, es kommt immer auf den Standpunkt an.