Rezension

Wer ist verantwortlich für den Tod des Jungen?

Sanctuary - V. V. James

Sanctuary
von V. V. James

Bewertet mit 5 Sternen

Daniel Whitman ist der Vorzeigejunge von Sanctuary: Überalll beliebt, stets nett und zuvorkommend, engagiert sich in den Vereinen, gefeierter Footballstar mit einem tollen Stipendium, kurz gesagt, er ist der perfekte Teenager und ihm stehen alle Wege offen. Doch dann kommt er bei einem mysteriösen Unfall auf einer Party ums Leben. Seine Mutter ist verzweifelt, vergeht in ihrer Trauzer und recht schnell fällt der Verdacht auf Harper, Ex-Freundin des Toten und Tochter der Stadthexe.

Die Welt, die V. V. James hier entwirft unterscheidet sich gar nicht so groß von unserer. Es gibt nur eine Ausnahme, Hexen gibt es wirklich und - nach langem Kämpfen um ihre Rechte und ihre Freiheit - dürfen sie unbehelligt unter 'normalen' Menschen leben und auch praktizieren. Letzteres allerdings nur unter sehr strengen Regeln und Einschränkungen. Sanctuary und seine Einwohner fühlten sich direkt echt an für mich. James hat einen sehr einnehmenden Schreibstil, der den Leser mitnimmt in dieses kleine amerikanische Örtchen Sanctuary und ihn bis zum Schluss nicht mehr loslässt.

Erzählt wird die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven, was es für mich sehr spannend gemacht hat. Alle Figuren konnte ich mir richtig gut vorstellen und hatte direkt ein Bild von ihnen. Nicht alle waren mir sympathisch aber ihre Beweggründe für ihr Handeln war mir jedes Mal verständlich, auch wenn ich es nicht unbedingt in Ordnung fand. James zeichnet in "Sanctuary" ein sehr gutes Bild unserer Gesellschaft finde ich. Alles andersartige wird beäugt und überwacht, egal, ob das nun wie hier Hexen sind oder einfach nur Menschen mit anderer Hautfarbe, Religion, etc. Es ist erschreckend und irgendwie bedrückend, wie schnell sich Menschen auf Dinge, die sie nicht verstehen als Sündenbock einigen können und Menschen, die ihnen seit Jahren vertraut sind, plötzlich skeptisch ebtrachten und sogar verfolgen. Wie schnell aus Trauer Wut und schließlich Hass wird, der hier am Ende zu einer Hetzjagd gegen Harper und ihre Mutter führt, wobei jegliche Vernunft außer Acht gelassen wird. James beschreibt die Emotionen sehr realistisch und der Leser hat das Gefühl mitten unter den Figuren zu sein. Nicht nur einmal musste ich beim Lesen schlucken und konnte nur hoffen, dass die Dinge nicht noch schlimmer werden oder sogar ganz eskalieren.

"Sanctuary" ist kein klassisches Fantasy-Buch, magische Kreaturen oder andere Welten sucht man hier vergeblich. Das macht jedoch gar nichts, denn das Buch hat mich so in seinen Bann geschlagen und mir eine Geschichte erzählt, die ich so am Anfang niemals erwartet hätte. So spannend, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte und unbedingt wissen wollte, wie es weiter geht. Beim Lesen habe ich so manche Vermutungen angestellt, doch wirklich sicher sein, wie es zu diesem tragischen Tod von Daniel Whitman kam, kann man erst am Ende. Man rätselt zusammen mit der Ermittlerin und obwohl man mehr Informationen und Eindrücke bekommt als sie, hat man doch immer das Gefühl, dass das letzte Puzzleteil noch fehlt. "Sanctuary" ist wie diese Rätselbilder, bei denen nach und nach ein weiteres Teil aufgedeckt wird und man erraten muss, was auf dem Bild dargestellt ist. Genau so fühlte ich mich auch beim Lesen. Man bekommt immer neue Informationen, doch für das Gesamtbild muss man warten bis zur letzten Seite. 

Von meiner Seite gibt es hier eine große Leseempfehlung, für alle, die Hexen mögen und auch mal Fantasy abseits vom Üblichen entdecken wollen, verknüpft mit einem spannenden Krimi.