Rezension

Wer lügt über was und warum? Und was passierte im Sommer vor zwei Jahren?

Solange wir lügen - E. Lockhart

Solange wir lügen
von E. Lockhart

Bewertet mit 2 Sternen

Beunruhigende Geschichte über eine junge Frau, die die Geschehnisse eines Sommers auf der Privatinsel ihres Großvaters verarbeiten muss

„Solange wir lügen“ lässt mich mit einem zwiespältigen Gefühl zurück. Die Grundidee des Romans ist mehr als interessant, aber die schriftstellerische Umsetzung mit sich wiederholenden Satzfragmenten, eingestreuten Märchen und sehr einfacher Sprache finde ich weniger gelungen. Zudem verursacht mir das Ende der Geschichte Unbehagen und lässt mich mit einem unguten Gefühl zurück.

 

Cady verbringt ihre Sommer unbeschwert auf der Privatinsel ihres Großvaters hauptsächlich mit ihrer Cousine Mirren, ihrem Cousin Johnny und dem Familienfreund Gat, in den sie sich über die Jahre hinweg verliebt. Schon die ersten vier Sätze des Buches deuten an, dass die Idylle deutlich überschattet ist (S. 11):

 

„Herzlich willkommen bei den wunderschönen Sinclairs.

Niemand von uns ist ein Verbrecher.

Niemand ein Abhängiger.

Niemand ein Versager.“

 

Der teilweise poetische und wirklich verstörende Stil des Buches zeigt sich bereits auf der vierten Seite des Romans, als Cady davon erzählt, wie ihr Vater seine Familie verließ, als sie fünfzehn Jahre alt war (S. 14):

 

„Mein Vater verstaute einen letzten Koffer auf der Rückbank des Mercedes […] und startete den Motor.

Dann zog er eine Pistole und schoss mir in die Brust. Ich stand gerade auf dem Rasen und ich fiel. Die Einschussstelle klaffte weit auseinander und mein Herz rolle aus meinem Brustkorb ins Blumenbeet. In rhythmischen Stößen quoll Blut aus meiner offenen Wunde,

aus meinen Augen,

meinen Ohren,

meinen Mund.

Es schmeckte  nach Salz und Versagen. Hellrot tränkte meine Scham, nicht geliebt zu werden, das Gras vor unserem Haus, die gepflasterte Auffahrt, die Stufen zur Veranda. Mein Herz zuckte zwischen den Pfingstrosen wie eine Forelle.“

 

Wenn man diesen Absatz gelesen hat, weiß man spätestens, dass man kein durchschnittliches Jugendbuch in den Händen hält. Schon allein der Satzspiegel ist ungewöhnlich und trägt zu der beunruhigenden Wirkung der Worte bei.

 

Fazit: Wer sich auf ein aufwühlendes Jugendbuch einlassen möchte, das sich definitiv aus der Masse hervorhebt, sollte zu „Solange wir lügen“ greifen, aber gleichzeitig damit rechnen, dass das Ende nicht glücklich macht. Dennoch wird mir die Geschichte länger im Gedächtnis bleiben.

Kommentare

MissGoWest kommentierte am 25. Juni 2018 um 13:34

Leider kann man beim Bearbeiten die Sterneanzahl nicht mehr korrigieren -- ich wollte DREI von fünf Sternen geben!