Rezension

Wer nach vorne schauen will, muss zuerst zurückblicken

Unter Wasser ist es still -

Unter Wasser ist es still
von Julia Dibbern

Bewertet mit 4 Sternen

Geschichten, in denen die Hauptfigur nach längerer Abwesenheit an den Ort der Kindheit zurückkehrt, gibt es wie Sand am Meer. Meist aktiviert die Rückkehr Erinnerungen, führt zur Konfrontation mit der Vergangenheit, was durchaus schmerzlich werden kann, wenn traumatische Erlebnisse nicht verarbeitet wurden und noch immer im Unterbewusstsein schwelen.

Ein solches Szenario hat sich auch Julia Dibbern für ihren neuen Roman „Unter Wasser ist es still“ ausgesucht, in dem sie die Protagonistin Maira in ihre ehemalige Heimat reisen lässt. Aus freien Stücke geschieht das nicht, es ist ein konkreter Anlass, der sie dazu bewogen hat. Sie muss ihre Angelegenheiten regeln, das Haus ihrer Kindheit zum Verkauf vorbereiten, die Vergangenheit endlich abhaken, damit die Zukunft gesichert ist.

Jeder, der schon einmal in der Situation war, kann wohl nachvollziehen, was mit einem passiert, wenn man ein Haus leer räumen muss, in dem man Kindheit und Jugend verbracht hat. Jedes Stück, das man in die Hand nimmt, birgt Erinnerungen an vergangene Tage. Und wie könnte es auch anders sein, es sind nicht nur die schönen Erlebnisse, die Erinnerung an die unbeschwerten Tage der Kindheit mit ihren Freunden, die aufploppen. Freundschaften, die in die Brüche gegangen sind. Entscheidungen, die sich im Rückblick als falsch erweisen. Die Erkrankung der Mutter, deren Tod und die damit verbundenen Schuldgefühle. Das alles prasselt auf Maira nieder, als sie wieder in ihrem ehemaligen Zuhause auf dem Darß angekommen ist.

„Unter Wasser ist es still“ ist ein ruhiger, ein nachdenklicher Roman, was nicht nur dem Thema, sondern auch Julia Dibberns Art des Schreibens geschuldet ist, erzählt sie doch Mairas Geschichte sehr behutsam und mit viel Fingerspitzengefühl für das Seelenleben ihrer Protagonistin. Obwohl in vielen Passagen eine fast greifbare Melancholie mitschwingt, gibt es auch solche, die durch Leichtigkeit bestimmt sind. Alles passt und wirkt nicht aufgesetzt – bis auf das Ende. Tut mir leid, aber das war eindeutig zu konstruiert und hat leider einen Teil des guten Eindrucks, den ich von diesem Roman hatte, zunichte gemacht.