Rezension

Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.

Abendmahl für einen Mörder - Uwe Ittensohn

Abendmahl für einen Mörder
von Uwe Ittensohn

Bewertet mit 5 Sternen

Wir alle wir leben im Schatten des Doms…. Ach nein, das war ja ein anderer Dom ;) Und irgendwie wird hier im Domschatten auch eher gemordet.

Abendmahl für einen Mörder von Uwe Ittensohn

Taten und Sünden. Es gibt sie. Im Normalfall und in der Sichtweise der katholischen Kirche sind es die 7 Todsünden, auf die immer wieder aufmerksam gemacht wird. Doch was wäre, wenn es, ähnlich dem Vergleich der 7 Weltwunder der Antike, und denen der Neuzeit, es auch Sünden gäbe, die heute aktueller denn je sind, und, die es zur damaligen Zeit, als die Todsünden festgelegt wurden, gegen Ende des 4.  Jahrhunderts, noch nicht gab, bzw. man andere Sünden für wichtiger befand? Oder anders gesagt: Was würdet ihr als Sünde sehen in der heutigen Zeit? Es sind sogenannte soziale Sünden. So würde wohl Niemand Profitgier als Sünde ansehen, doch viele würden sich dafür aussprechen, dass die Gier nach Profit falsch ist. Leider aber auch etwas, das in unserer Gesellschaft oft zu verzeichnen ist. Denn………… wer ist denn heute nicht an Geld interessiert? Doch ist dies eine Sünde? Hingegen würden wohl viel das als Sünde ansehen, was wir unserer Natur und der Umwelt antun. Wir versündigen und sozusagen an ihr. Dem sind sich vielleicht viele einig, aber sicherlich auch nicht alle. Der Missbrauch von Jugendlichen und Kindern ist definitiv eine Sünde, da gibt es nichts zu diskutieren. Und was ist mit dem Missbrauch und dem Verkauf von Drogen, oder Abtreibungen? Jeder hat zu Jedem schwerwiegenden Thema unserer Gesellschaft sicherlich eine Meinung. Und wenn nun noch Genmanipulation und Exzessiver Reichtum dazukommen, dann haben wir sie. Die Sünden, von denen in diesem Buch gesprochen wird. Ich erwähne das eigentlich nur anfänglich, damit man sich gleich damit auseinandersetzen kann. Denn es sind Themen, die beschäftigen. Bei einigen ist es leicht, sie als Sünde anzuerkennen, bei anderen etwas schwieriger. Was sie aber alle gemeinsam haben, das ist, dass es in diesem Buch einen Menschen gibt, der diese Sünden straft. Ähnlich anderen Mördern aus Filmen, die nach den 7 Todsünden töten. Doch keine Angst. Es ist ein Krimi. Und auch wenn diese Themen natürlich angesprochen werden, so ist der Krimi an sich nicht so düster, dass man ihn wegen der Thematik nicht lesen könnte. Denn da ist ja immer noch Stadtführer Andre, der den Fall lösen möchte, zusammen mit seiner Mitbewohnerin Irina, die ihm dabei hilft. Und das auf ihre ganz eigene Art, und mit ihrem eigenen Humor. Nun also erstmal zur Geschichte, die ich eben ja schon angedeutet habe.

Die Geschichte des Buches:

Andre ist Stadtführer in Speyer. Irina, seine Untermieterin, und Studentin, würde wohl sagen, er sei ein alter Mann, denn genau so nennt sie ihn zu meist. Als Irina sich einer OP unterziehen muss, teilt sie ihr Krankenzimmer mit einer jungen Frau. Man erfährt, dass diese Opfer eines Steinwurfs von einer Brücke geworden ist, was sie fast getötet hätte. Ein Schuldiger ist schnell gefunden, und das in Form eines Jugendlichen, dessen Nachhauseweg vom Fußball an besagter Steinwurfstelle vorbeiführt. Der Junge ist der Sohn einer ehemaligen Klassenkameradin von Andre, und dem kommt dabei etwas spanisch vor. Auf eigene Faust recherchiert er nun. Als es einen weiteren „Unfall“ gibt, wird Andre sogar von der Polizei mit in die Ermittlungen einbezogen, da sein alter Freund Frank dort arbeitet. Doch als Andre eine Spur verfolgt, und in alten Morden ein Muster erkennt, das die Polizei so nicht akzeptieren möchte, und für Unfug hält, ermittelt er auf eigene Faust weiter, unterstützt von Irina. Alles Weitere ist unheimlich spannend, und muss selbst erlesen werden.

Das Cover:

Sehet den Speyerer Dom. Schaut ihn euch aber gerne auch mal live an :). Das Cover ist minimal, gefällt mir aber sehr gut, da der Dom eine zentrale Rolle im Buch spielt.

Fazit und Gedanken zum Buch:

Wie ich in einem anderen Buch mal gelernt habe, so sind Kathedralen Gottes Vorzimmer auf dieser Erde. Und Kathedralen in ihrer Größe bei uns in der Gegend nennt man häufig Dom. Von ihnen gibt es ein paar. Und immer, wenn wir einen besuchen, zumindest ist es bei mir so, dann bin ich erschlagen von der Größe, fast überwältigt. Aber vor allem voller Ehrfurcht, wie die meisten dieser Riesen die Zeiten überdauert haben. Und schon Jahrhunderte dort stehen, so wie nun mal sind. Wie sie die Menschen damals beeinflusst haben. Oder auch nicht. Warum ich das alles erzähle? Nun ja. Ich liebe Kirchengebäude und ihre Architektur ungemein. Und diesen Dom aus dem Buch, den kenne ich dazu auch noch live sehr gut. Und auch wenn es nicht mein „Hausdom“ ist (jaja, der Mainzer Dom ist einfach ein wenig näher), so wollte ich nochmal drauf aufmerksam machen, was auf dem Buch steht. Denn mit dem Bau des Buches wird der Dombauverein Speyer unterstützt. Mit einem Euro. Und das ist ja wirklich nicht viel, um etwas zu erhalten, was fast 1000 Jahre mehr auf dieser Welt erlebt hat, als wir Menschen es getan haben, und gar tun werden.

Diese Liebe zum Speyerer Dom, der hier einen großen Teil der Handlung bestreitet, die spürt man in jeder gelesenen Seite. Genauso übrigens wie die Liebe zur Stadt Speyer an sich. Das macht einen guten Krimi mit Lokallkolorit aus. Was mir nämlich besonders gut gefallen hat, das war die Beschreibung der Umgebung von Speyer, wo der Handlungsort des Krimis ist. Wir befinden uns mittendrin, und mit den Beschreibungen erfahren wir nicht nur einiges von der Stadtumgebung in Speyer, sondern bekommen auch gleich Lust, sofort einen Ausflug dorthin zu machen. Selbst für Leute, die schon oft dort waren, hält das Buch noch kleine Überraschungen an Wissen bereit. Wo man gut essen gehen kann, wo man ein gutes Bier bekommt, oder eine leckere Brezel. Ja, ich gebe zu, ab und an zwischen den Seiten mal Hunger und Durst bekommen zu haben.  Und das ist auch gut. Gerade für die Thematik. Wir haben es mit einem Krimi zu tun, und trotzdem war die Grundstimmung im Roman nicht dunkel, düster und angstvoll. Bei der Thematik von Morden um Sünder, oder das, was ein Mörder von Sündern und ihrer Bestrafung hält, ist das gar nicht so einfach.  

Wir haben hier im Roman einen normalen Menschen als Protagonisten, der ebenso auch unser Nachbar sein könnte. Er trinkt gerne mal ein Weinchen, isst gerne gut, und gönnt sich öfter mal nach seinen Stadtführungen eine der schönen Lokalitäten seiner Stadt Speyer (hier gibt’s echt gute Tipps :D). Andre ist Stadtführer und hat nichts mit der Polizei zu tun. Außer, dass einer seiner Freunde dort arbeitet. Das ist aber schon alles. Trotzdem löst er die Fälle, weil er gerne Rätsel löst, auf eigene Faust. Unterstützung findet er bei Irina, seiner Untermieterin, die Studentin ist, und eigentlich aus Russland kommt. Das macht das Ganze so herrlich, da es öfter eine Kappelei zwischen beiden gibt, und man nicht den typischen Kommissar hat, der ein Verbrechen aufdeckt, sondern einen normalen Menschen von nebenan, der uns das Gefühl gibt, dass wir selbst den Fall auch lösen könnten. Natürlich hat auch er so seine Macken und Eigenarten, aber selbst die kommen charmant rüber.

Was mir richtig gut gefällt ist die Verbundenheit des Teams „Alt und Jung“ in Form von Andre und Irina. Andres Wissen, seine ganze ruhige Art, mit der er analysiert und ergebnisorientiert arbeitet…. Und so ja meist auch die Rätsel und Geheimnisse löst. Und Irinas junge und spritzige Studentenart, die oft frei nach Schnauze ist. Beide lernen voneinander, was sie toleranter für die jeweils andere Altersgruppe macht. Das zeigt sich auch später in einer anderen Szene… die ihr natürlich selber rausfinden dürft. Auf alle Fälle finde ich toll, dass die beiden dieses voneinander lernen auch akzeptieren, und nicht versuchen, dass einer Recht hat, und der andere nicht. Sie nehmen ihre gegenseitigen Meinungen an, und ergänzen sich so, und natürlich profitieren beide davon. Keiner ist überheblich. Andre und Irina plänkeln häufig miteinander. Man merkt, wie viel die Beiden sich bedeuten, und trotzdem merkt man dieses humorvolle in den Sätzen und Gesprächen. So bezeichnet Irina Andre immer liebevoll als den alten Mann, der total klugscheißerisch ist. Und er wehrt sich nicht dagegen. Die Kombination aus junger Studentin, die zur Untermiete bei einem einsamen älteren Herrn wohnt, gefällt mir so gesehen sehr gut. Außerdem sorgen diese Gespräche dafür, ein wenig Lockerheit ins Buch zu bringen.

Mich persönlich hat es aber auch ziemlich zum Nachdenken angeregt. Gerade was die Opfer des Mörders angeht. Sind sie wirklich schuldig? Haben sie sich schuldig gemacht? Bei einem gebe ich sogar zu, selber wütend auf das Opfer gewesen zu sein, weil es ein schrecklicher Mensch war. Doch genügt es, ein schrecklicher Mensch zu sein, um ermordet zu werden, von jemandem, der sich als Rächer sieht? Und was ist mit den anderen Opfern. Begehen sie wirklich eine Sünde in ihrem Tun? Ist das ganze viel komplexer? Sollte man eine junge Frau, die abtreibt, gleich verurteilen? Oder lieber hinterfragen, warum sie das tut, was sie tut? Es ist nicht immer alles schwarz oder weiß, sondern gibt sehr oft Grautöne dazwischen. Und genau diese gilt es herauszufinden. Sünder, die schreckliche Dinge tun, die hasst man als Mensch natürlich. Doch gleich Jemanden umbringen? Das Buch ist wie ein Spiegel vor sich selbst. Man kann entscheiden ob man dem Mörder Recht gibt, weil er schlechte Menschen umbringt, oder zu dem Opfer hält, weil Morde das schrecklichste aller Verbrechen sind. Und das klingt in einem nach. Denn wie soll man entscheiden was Falsch ist, oder richtig, wenn es in einigen Fällen kein Falsch und kein Richtig gibt, sondern ein Zwischenweg gesucht werden muss? Im Sinne einer Bestrafung, ohne Jemanden umzubringen? Und wer entscheidet eigentlich, was Falsch und was Richtig ist? Wir sind ja alle nur Menschen, und über andere zu richten…. Wer gibt uns das Recht dazu? Jeder Mensch ist gleich. Keiner darf einem anderen unterstehen. Dass es in der Realität anders ist, das ist wohl jedem klar.

Über das Buch und die Geschichte hinweg erfahren wir die Hintergrundgeschichten der einzelnen Opfer des Mörders, so werden diese uns nähergebracht. Es wird nicht gewertet, und wir können selber entscheiden, ob wir denjenigen für schuldig, oder unschuldig halten würden, und ob es eine Schuldigkeit seinerseits gibt. Da es aktuelle Fälle, aber auch frühere gibt, läuft die ganze Ermittlung auf ein Ziel zu. Den Mörder zu fassen. Da aber auch nicht alle Opfer sterben, und es bei einigen bei Versuchen bleibt, gilt das Ziel, den Mörder aufzuhalten. Ein Mörder der den Menschen mit seinen Taten die Augen öffnen will.

Es ist ein Buch, das sich vor allem auch mit der Thematik der Schuldfrage beschäftigt, wann jemand Schuld hat, und wann nicht. Und wer es überhaupt ist, der darüber richten darf, ob diese Schuld da ist…….. Denn Menschen können sich grundsätzlich immer irren. Und kein Mensch ist frei von Fehlern, oder gar frei von Schuld. Nicht mal der richterlichste Richter, der über Schuld entscheiden kann, oder sollte, irrt sich niemals. Und wenn es um Sünden, soziale Sünden oder auch Todsünden geht, da sollte jeder erstmal auf sich selbst schauen. Es geht um Schuld, um Sünde, um Richtig und Falsch, um Opfer und Täter, und wer von beiden das Opfer und der Täter ist, ob es gar nur Täter gibt, oder ob man alles nicht einfach pauschal sehen kann, und alle Menschen im Buch verurteilen sollte. Wir müssen nachdenken, darüber, wie dünn die Linie zwischen Richtig und Falsch manchmal ist, und sein kann. Und es gibt immer zwei Seiten der Medaille, warum jemand tut, was er tut, und nicht immer, kann man demjenigen, die Schuld geben. Das Buch stellt uns also vor ein Dilemma, was Richtig und was Falsch ist. Fanatisch meine lieben. Sobald etwas ins Fanatische, und in Fanatismus abschweift, wird es gefährlich. Hier ist die Gefährlichkeit, dass jemand, der eigentlich versucht das Richtige zu tun in einen fanatischen Wahn abrutscht, und so nimmt das Unheil der Morde dann seinen Lauf.

Und ja, in einer Welt wo alles nach Plan verläuft, man sich an Richtlinien halten muss, da ist es auch mal schön, die unkonventionellen Methoden von Andre Sartorius zu begutachten. Denn die haben meist mehr Erfolg, als die planmäßigen Ermittlungen der Polizisten. Sartorius rätselt gerne, und zimmert sich mit diesem Wissen den Fall zusammen, um eine Lösung zu erhalten. Ob diese am Ende zufriedenstellend ist, erfahrt ihr in der Lektüre.

Das Buch mutet übrigens schon allein wegen der Sündenthematik seltsam aktuell an. Denn ja. Die meisten Dinge betreffen uns genau in unserem Heute.

Das heutige Rezensionslied fand ich passend:

„When I look back upon my life……..It's always with a sense of shame………...I've always been the one to blame.

For everything I long to do…..No matter when or where or who………Has one thing in common, too.

It's a…..it's a…….it's a…………it's a sin.“