Rezension

Wer war Stella Goldschlag?

Stella - Takis Würger

Stella
von Takis Würger

Bewertet mit 3.5 Sternen

Friedrich ist ein junger Schweizer mit ausreichend Geld, der 1942 nach Berlin reist, um sich selbst einen Eindruck zu verschaffen von dem Gehörten über den Krieg. In einer Kunstschule lernt er Kristin kennen, die ihn mitnimmt in verbotene Clubs, mit ihm trinkt und schließlich eine Liebesbeziheung mit ihm eingeht. Wegen ihr bleibt Friedrich in Berlin und erfährt schließlich, dass Krisin tatsächlich Stella heißt, Jüdin ist und untergetauchte Juden an die Nazis verrät.
 

"Stella" ist mein erstes Buch von Takis Würger. Es hat mich wegen der kontroversen Diskussion rund um diese Buchveröffentlichung gereizt und ich war wegen der teilweise sehr schlechten Kritiken äußerst gespannt.
Der Schreibstil ist sehr flüssig bis recht einfach, mit kurzen prägnanten Sätzen. Sehr ungewöhnlich finde ich dabei die Wechsel zwischen den drei unterschiedlichen Verläufen:
1) eine kurze Übersicht über das Zeitgeschehen 1942 in der Gegenwartsform und neutralem Berichterstatter, die m.M. nach sehr gut das Leben zusammenfasst.
2) die Erzählung von Friedrich in der Vergangenheitsform und als Ich-Erzähler, in der seine Unerfahrenheit, Naivität und Beobachtungsgabe gut herauskommen und
3) die Behördeneinträge über die deportierten Juden im Amtsdeutsch.
Mir gefällt diese Art, zu erzählen sehr gut und der Wechsel schafft ein sehr umfassendes Bild und hilft mit, die Situation besser zu bewerten.
Erscheinen die Behördeneinträge auch losgelöst vom Geschehen, so weiß der interessierte Leser doch, dass es sich bei der "Beschuldigten" nur um die Greiferin Stella handeln kann.

Die Protagonisten werden sehr intensiv gezeichnet. Allerdings bleibt Friedrich doch immer der ruhige, zurückhaltende und beobachtende junge Mann, während Kristin/Stella und auch Tristan sehr widersprüchlich dargestellt werden und letztlich den Leser zu eigenem Nachdenken anregen. Wirklich sympathisch sind mir keine der Personen in dem Buch geworden!

Von der Kritik häufig verrissen ist die teilweise Banalität der Darstellung; für mich führt jedoch gerade diese zu einer besonderen Eindringlichkeit. Vor dem Grauen des 2. Weltkrieges verschließt man doch teilweise schon etwas die Augen, und in dieser Geschichte taucht es tief unter der Oberfläche umso intensiver auf.

Die Handlung beruht auf der wahren Geschichte der Stella Goldschlag, einer deutschen Denunziantin der Gestapo, die während des Zweiten Weltkriegs als so genannte „Greiferin“ in der Illegaliäte lebende untergetauchte Juden in Berlin aufspürte und der Gestapo auslieferte, obwohl sie selbst aus einer jüdischen Familie stammte. Dem Autor gelingt es zwar, dem Leser diese Frau näher zu bringen, letztlich ergeben sich für mich jedoch mehr Fragen zu ihrer Person und ihrem Handeln als Antworten.

Die Intensität war während des ganzen Verlaufs spürbar sowie ein schreckliches Grauen, von einer Spannung kann ich jedoch nicht berichten.

Trotz allem war das Buch für mich absolut lesenswert, da es mich tief in die Welt 1942 hineinzog und ein großes Kopfkino mit starken Gefühlen auslöste. Gerade wegen des Erzählstils hebt es sich von den typischen Büchern über diese Zeit ab und findet seinen eigenen Weg, mit der Geschichte umzugehen und den Leser mitzunehmen.

Mein Tipp: Nicht von den Kritiken abschrecken lassen, sondern sich selbst ein Bild machen!