Rezension

Wichtiger und inspirierender Inhalt, aber recht trivial geschrieben

Das Haus der Frauen - Laetitia Colombani

Das Haus der Frauen
von Laetitia Colombani

Bewertet mit 4 Sternen

Die erfolgreiche Rechtsanwältin Solène gerät in eine große Krise, als einer ihrer Klienten nach einem Gerichtsurteil in den Tod springt. Arbeitsfähig ist sie nun nicht mehr, sie fühlt sich leer, ausgebrannt und depressiv. Irgendwann schlägt ihr Psychiater vor, dass sie sich ehrenamtlich betätigen soll, um sich wieder etwas nützlich zu fühlen und sich abzulenken, um wieder mehr heraus zu kommen. Nach einigem Zögern bietet sie daraufhin einmal wöchentlich in einem Frauenhaus an, für die Bewohnerinnen Briefe aufzusetzen. Dort wird sie mit Lebenswirklichkeiten konfrontiert, die sie sehr berühren: "Jede von ihnen kennt Gewalt und Gleichgültigkeit. Alle bewegen sich am Rande der Gesellschaft." Gleichzeitig gerät ihr eigenes Weltbild ins Wanken: "Gefangen in ihrem kleinen Leben und ihren Problemen, hat sie die Welt aus dem Blick verloren. Es gibt Menschen, die Hunger haben und nur zwei Euro, um ihn zu stillen."

In einem zweiten Handlungsstrang steht Blanche Peyron im Mittelpunkt. Eine Pfarrerstochter, die sich schon frühzeitig der gerade erst im Wachsen befindlichen Heilsarmee anschließt, um sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen und den Armen zu helfen, gemäß dem Motto: "Suppe. Seife. Seelenheil".

Gemeinsam mit ihrem Mann gründete sie 1926 den „Palast der Frauen“ in Paris, in dem Solène ein Jahrhundert später tätig wird. Dieses Gemäuer ist wahrlich beeindruckend und bietet Platz für 400 Menschen (darunter 350 Einzimmerapartments)! Blanche setzt sich dabei gegen so viele Widerstände durch, das ist kaum vorstellbar und wahnsinnig beeindruckend!

Beide Handlungsstränge fand ich äußerst interessant. Bei Solène erhält man authentische Einblicke in die unterschiedlichen Schicksale der unverschuldet in Not geratenen Frauen. Geflüchtet vor Zwangssterilisation, Opfer von (männlicher) Gewalt und Vergewaltigung oder auch schon als Kind ohne Liebe aufgewachsen, sind, davon abgesehen, Frauen zudem am häufigsten von Armut betroffen. Die Beschreibungen berühren sehr, wecken Verständnis und Mitgefühl. Gleichzeitig erhält man einen kleinen Einblick in die Herausforderungen sozialer und ehrenamtlicher Arbeit.

Der Handlungsstrang um Blanche zeigt, wie schwierig es für Frauen in der Vergangenheit war, tätig zu sein, Berufe ausüben zu dürfen, sich frei zu entwickeln. Frauenunterwerfung und -unterdrückung war allgegenwärtig und Armut in einem sicherlich viel verheerenderem Ausmaß als heute verbreitet. Ihr großes Engagement beeindruckte mich enorm, inspirierte mich, machte Mut und imponierte mir so, dass sie mir ewig im Gedächtnis bleiben wird!

Sprachlich finde ich den Roman allerdings wirklich schwach, er erinnert mich sogar an Trivialliteratur. An vielen Stellen ist er auch wirklich oberflächlich und vereinfachend, so wird beispielsweise die ehrenamtliche Tätigkeit der Rechtsanwältin ziemlich romantisiert dargestellt, die tatsächlichen „Fallstricke“ sozialer Arbeit werden kaum beleuchtet und die Figuren wirken manchmal etwas schematisch.

Dieser leichte und oberflächliche Stil eignet sich letztlich natürlich für eine breite Leserschaft, auch für Leute, die ansonsten nicht so viel lesen, zudem der Roman recht kurz ist. Damit ist es wiederum auch positiv, da ihn viele lesen sollten, weil der Inhalt wahrlich interessant und vor allem wichtig ist. Er lenkt den Blick auf soziale Ungerechtigkeiten und prekäre Lagen, zeigt auf, wie man helfen kann und, dass Helfen ein sinnvolles Tun ist. Er inspiriert, gibt Mut und zeichnet beeindruckende Frauen(vor-)bilder.