Rezension

wichtiges Buch

Anschlag von rechts - Reiner Engelmann

Anschlag von rechts
von Reiner Engelmann

Die 184 Seiten sind dieses Jahr bei cbj erschienen und behandeln einen wirklich geschehenen Angriff auf eine Flüchtlingsunterkunft.

Reiner Engelmann ist Sozialpädagoge und arbeitet hauptberuflich mit Kindern. Schwierige Themen sind sein Metier. Er hat bereits über Auschwitz, Kinderrechte, Zivilcourage und Mobbing geschrieben. Das sind so wichtige Themen, weil sie maßgeblich an der Entwicklung und unserer Vorstellung von Moral beteiligt sind. Vergangenheit darf nicht vergessen werden, weil sie uns unlieb ist, weil wir sie verdrängen wollen, weil wir sie für einflusslos halten. Genauso dürfen wir vor Missachtungen der Menschenrechte, die vor unseren Augen geschehen, diese nicht verschließen. Nun also hat Engelmann über den Angriff auf eine Flüchtlingsunterkunft geschrieben.
Das Buch besteht im Grunde aus zwei Teilen. Am Anfang werden die unterschiedlichen Personen eingeführt. Die Täter, aber auch die Opfer. Die einzelnen Geschichten der unterschiedlichen Flüchtlinge sind variantenreich und gleichzeitig haben sie eines gemeinsam: Die Angst ums eigene Leben. Kinder wie Erwachsene werden hier fokussiert. Die traumatisierte Witwe aus Simbabwe, die Familie aus Syrien, der Junge aus Pakistan. Da auf reale Figuren Bezug genommen wird, sind die Schicksale umso bewegender, dabei ohne Kitsch oder Melodram. Engelmann gibt hier den Menschen, die unter „Flüchtlinge“ zusammengefasst werden, Gesichter, Geschichten, Varianzen und zeigt sie als Individuen. Dass ist etwas, was viele Berichtserstattungen nicht vollbringen. Es erzeugt Nähe, aber auch einen authentischen Blick.
Dass Engelmann das gleiche auch bei den Tätern schaffen will, ist die große Stärke des Buches. Der Stil bleibt manchmal oberflächlich, einfach. Wenn ich auch vielen Jugendbüchern nicht anmerke, dass sie für Jugendliche geschrieben wurden, hier merkt man es deutlich. Die Täter sind zu dritt. Sie hauen Stammtischparolen raus, denken es wäre cool, Nationalsozialistischen Symbolen zu nutzen, sehen sich aber nicht als Nazis. Sie kommen, wie der Autor selbst schreibt „der Realität also nah, können dieser aber nicht vollständig entsprechen“ (S. 11). Das Buch pendelt zwischen erzählendem Sachbuch und der Fiktionalisierung realer Begebenheiten. Eine Linie trifft es dabei nicht. Engelmann versucht Einblicke zu gewähren, die er aber selbst nie hatte. Und hier strauchelt das Buch meiner Meinung nach etwas.
Die Täter werden fast etwas zu plakativ dargestellt. Der grobe Anführer, der seinen Fehler nicht sieht, nicht zugibt, rechtsradikal zu sein, aber deutliche fremdenfeindliche Sprüche und nationalsozialistische Symbole nutzt. Sein Freund, der verzweifelt Anschluss sucht, mitzieht, nicht ganz der Schlauste ist. Am meisten bin ich aber über die Frau gestolpert. Ihr werden leicht romantische Gefühle für den Haupttäter nachgesagt, sie ist sich aber nie einer Schuld bewusst, ihr Fremdenhass wird als reine Mitläuferschaft dargestellt. Sie ist hier eindeutig schwach, naiv, ziemlich dämlich. Insgesamt schafft das Buch hier nicht, was es laut Klappentext verspricht, nämlich zu zeigen, dass Fremdenfeindlichkeit in „der Mitter unserer Gesellschaft“ angekommen ist. Hier wird keine Gesellschaftsmitte als Tätergruppe gezeigt, sondern eine bildungsschwache soziale Unterschicht.
Ich glaube durchaus, dass dies ein sehr wichtiges Buch ist. Weil sowohl Täter als auch Opfer menschlich dargestellt werden, weil konturlose Formulierungen Gesichter und Geschichten bekommen. Als Jugendbuch kann dieses Buch zum großen Nachdenken anregen und neue Blickwinkel bieten.