Rezension

Widersprüche pur

Der Rubel muss rollen - Christian Anders

Der Rubel muss rollen
von Christian Anders

Bewertet mit 1 Sternen

Anders plädiert in seinem "Wirtschaftsbuch" für eine „Grund- und Bodenreform“: „Grund und Boden sollten jedem gehören“. Plädiert Anders für den Kommunismus? Ein paar Zeilen weiter die Bestätigung: „Grund und Boden muss der Gemeinde gehören.“ Doch Anders räumt überraschend ein: der Kommunismus habe uns ja bewiesen, dass „gemeinsamer Besitz von Grund und Boden nichts bewirkt“. Deshalb brauchen wir eine „Kombination aus privater Nutzung und gemeinschaftlichem Besitz“. Klingt wie „ein bißchen schwanger“.

Irgendwie will Anders die „Ineffektivität der Planwirtschaft“ durch Erbpachtrecht vermeiden. Vehement fordert er: „Die Spekulation mit Boden und Geld muss aufhören!“ Weiß Anders denn nicht, dass bereits jeder spekuliert, der sich Gedanken über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung macht? Und sei es nur, dass er den Kauf eines Kleidungsstücks verschiebt bis zum Sommerschlussverkauf.

Anders prangert „Wachstum“ als Unwort des Jahres an und verweist auf die „Humanwirtschaftspartei“, deren Mitglied er ist. Diese Kleinpartei sympathisiert mit der „Freiwirtschaftslehre“ von Sivio Gesell und plädiert, kurz gesagt, für einen dritten, schon oft gesuchten Weg, zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Stolz berichtete Anders vom „sensationellen Wahlerfolg“ dieser Partei in einem kleinen Städtchen in Sachsen: 638 Stimmen oder 3,4 Prozent in der Heimatgemeinde des Kandidaten.

Vehement jammert Anders über die Schulden der Dritten Welt, über die Pro-Kopf-Verschuldung der deutschen Bevölkerung genauso wie über die Gesamtverschuldung der Bundesrepublik Deutschland, um dann Sätzen zu schreiben wie: „Die Dritte Welt finanziert die erste Welt.“ oder „Man geht daran, die Armen abzuzocken.“ Auch den Friedensnobelpreisträger Mohammed Yunus, ein Bankier in Bangladesh, der Mikrokredite an die Armen vergibt, nennt er einen „alten Abzocker“. Wie soll das gehen? Die Armen abzocken? Wer das kann, muss ein Zauberer sein.

Anders „entlarvt die Urlüge des Kapitalismus“, nämlich dass jeder „vom Tellerwäscher zum Millionär“ aufsteigen könne, obwohl er doch genau dies nachweislich geschafft hat. Anders war zwar kein Tellerwäscher, sondern Elektroinstallateur, doch dafür schaffte er es zum Multimillionär. Anders schaffte sogar noch mehr: er schaffte es wieder zurück und hinein in eine hoffnungslose Verschuldung. Auch dies ist eine Leistung, denn große Vermögen vermehren sich ja fast von allein. Nach eigenem Bekunden will Anders umgerechnet 20 Millionen Euro besessen haben. Das wären damalige 40 Millionen Mark gewesen (die Inflationsrate seit den 1970er Jahren nicht mitgerechnet). Dann wäre Anders` Leistung, sein Vermögen verprasst zu haben, wirklich enorm, denn der Abstieg von 40 Millionen Mark in die Schuldenfalle ist alles andere als leicht.

Nach Anders „braucht“ der Kapitalismus „Arbeitslosigkeit und Armut“, um Profite machen zu können. Das ist ja mal eine ganz neue These. Also, je weniger Geld die Menschen im Kapitalismus haben, desto höher sind die Gewinne derjenigen, die ihnen etwas verkaufen? Interessant. Weil Anders das marktwirtschaftliche System offenbar nicht verstanden hat, fordert er zum Schluss die „Beseitigung des Kapitalismus.“