Rezension

Wie alles begann

Der Beginn - Carl Frode Tiller

Der Beginn
von Carl Frode Tiller

Bewertet mit 3 Sternen

Meine Meinung und Inhalt
"Sie drehte sich langsam zu mir um und strich Mama dabei vorsichtig über die Haare. Auch sie sieht mich nicht, dachte ich, sie starrt mich direkt an, trotzdem sieht sie mich nicht, ich nahm den Blick nicht von ihr, ich lächelte, aber sie zeigte keine Reaktion, sie sah durch mich hindurch." (ZITAT)

Der 1970 geborene Carl Frode Tiller ist nicht nur als Schriftsteller erfolgreich, er ist zudem auch als Historiker, Musiker und Komponist tätig. 2001 veröffentlichte er seinen Debütroman „Skråninga“ (Die Böschung). Sein erstes ins Deutsche übersetzte Buch ist „Innsirkling“, das 2015 unter dem Titel „Kennen Sie diesen Mann?“ erschien.
Das Leben kann nur rückwärts verstanden werden, gelebt werden muss es vorwärts. Terje liegt nach einem Suizidversuch im Sterben. Er lässt sein verpfuschtes Leben Revue passieren. Auf der Suche nach Antworten gräbt er sich immer tiefer in die schmerzhafte Vergangenheit, soghaft getrieben von den blinden Flecken des eigenen Lebens: der depressiven, alkoholkranken Mutter, dem abwesenden Vater, dem Abrutschen in Ticks und Gewalt als junger Mann, und dem quälenden Gefühl des Verlassenseins, das ihn immer bestimmt hat. Momente des Friedens fand er nur in der Natur.
"Dass Arten aussterben, ist ja ein vollkommen natürlicher Prozess, das passiert, seit es Leben gibt, und solange auf diesem Planeten Leben exisiert, wird es auch weiterhin geschehen. Aber die Zeit, in der wir gerade leben, zeichnet sich durch zwei entscheidende Besonderheiten aus. Erstens vollzieht sich das Artensterben heutzutae hundertmal schneller, als es auf natürliche Art passieren würde.  ...
Die zweite Besonderheit ist die Ursache für das Sterben. Dass hier weder Supervulkane noch Meteoriten hinter der Katastrophe stecken, sondern eine der Arten selbst, nämlich wir, der Mensch." (ZITAT)

Das Cover finde ich sehr passend gewählt. Ein Mann, der sein Leben Revue passieren lässt und über seine Entscheidungen und Handlungen sinniert.
Der Autor hat den Protagonisten Terje vermutlich bewusst nicht wirklich symphatisch geschildert. Er hat sich ab einem gewissen Zeitpunkt in sich selbst zurück gezogen und man meint als Leser, er würde das Leben nicht mehr wirklich genießen können. Er fühlt sich einsam und doch fühlt er oft - denn das begleitet ihn über all die Zeit - eine gewisse Präsenz einer anderen Person. Dieses Phänomen heißt "feeling of presence" und war bei Menschen mit psychischen und neurologischen Erkrankungen sowie bei Menschen in extremen, oft lebensbedrohlichen Situationen verbreitet.

Das Buch war wirklich außergewöhnlich - eine Geschichte erzählt wie im Rausch. Der Autor Carl Frode Tiller hat einen absolut tollen Schreibstil und eine besondere Erzählweise. Er schildert die Handlung rückwärts, also beginnt in der Gegenwart und berichtet über Jahre zurück - wie alles begann.