Rezension

Wie auf den zweiten Blick aus ungleichen Männern Freunde werden

Das kann uns keiner nehmen
von Matthias Politycki

Bewertet mit 5 Sternen

Ein solch tolles Buch mit seiner gelungenen Mischung aus zwei Lebensgeschichten und Reisebericht lese ich nicht alle Tage.

Bei der Besteigung des Kilimandscharo-Gipfels treffen sich unfreiwillig der reservierte Schriftsteller Hans aus Hamburg und der grantige, urige, etwas „großkotzige“ Bayer Tscharli, die es dorthin aus unterschiedlichen Motiven verschlagen hat. Zu Hause in Deutschland  hätten sie einander gemieden. In Afrika aber bleiben sie auf Wunsch des gesundheitlich angeschlagenen Tscharli für eine ganze Woche zusammen und begeben sich auf eine gemeinsame Reise nach Daressalam und Sansibar. Beide erkennen allmählich, über den jeweils anderen falsch geurteilt zu haben. Sie werden zu Freunden und erzählen sich ihre Lebensgeschichten, in denen zwei Frauen und Afrika ihre tiefen Abdrücke hinterlassen haben.

Schon die Beschreibungen über Leben und Menschen in Afrika, hier vor allem in  Tansania und Sansibar, sind sehr beeindruckend und widerlegen viele der Vorbehalte und Vorurteile, die wir gegenüber dem uns fremden Kontinent und seinen Bewohnern leicht zu hegen geneigt sind. Auf jeden Fall stimmen sie nachdenklich. Die Touren der beiden Protagonisten auf den Kibo, nach Daressalam und ihre Rollerfahrten auf Sansibar lassen sich anhand der Karten in den inneren Bucheinbänden schön nachvollziehen. Vielleicht wird beim einen oder anderen Leser die Lust zu einer Afrika-Reise geweckt; vielleicht begräbt er aber einen bereits vorhandenen Wunsch auch schnell wieder angesichts diverser geschilderter Gefahren, denen sich Tscharli und Hans, dieser auch schon auf einer ein Vierteljahrhundert zurückliegenden ersten Reise auf den Schwarzen Kontinent, ausgesetzt sehen.

Richtig lebendig wird die Geschichte durch den Protagonisten Tscharli. Mit einer Mischung aus bayrisch, erfundenem Suaheli und ein wenig englisch haut er, den man sich als Ur-Bayer vorstellen muss, durchweg in jeder Situation tolle Sprüche heraus, die sich Hans sogar notiert. Darunter befinden sich schöne Lebensweisheiten, die es wert sind, zitiert zu werden. Wie er als Mensch ist, lässt sich nur schwer einschätzen. Auch Hans hat immer mal wieder Anlass, an der Richtigkeit dessen zu zweifeln, was ihm erzählt wird. Doch egal, welche Verfehlungen sich Tscharli in der Vergangenheit hat zuschulden kommen lassen und wie man selbst dazu steht – als Mensch gewinnt man ihn im Laufe der Geschichte einfach nur lieb. Welche Frauengeschichten beide Männer verfolgen, will man natürlich erfahren und wird so geschickt an der Stange gehalten. Die tragischen Auflösungen erfolgen spannungserhöhend erst relativ spät.

Der Autor hat in dieses Buch Autobiografisches eingearbeitet, der während einer Afrika-Reise im Jahr 1993 lebensbedrohlich erkrankte (eine Parallele zu Hans).

Ein Buch, das ich uneingeschränkt mit fünf Sternen bewerte.