Rezension

Wie Band 1 ein visuelles Feuerwerk, meisterhaft erzählt - aber mit kleinen Abstrichen

Gemina. Die Illuminae Akten_02 - Amie Kaufman, Jay Kristoff

Gemina. Die Illuminae Akten_02
von Amie Kaufman Jay Kristoff

Bewertet mit 4 Sternen

*Illuminae* war überraschend mein Januar-Highlight und hat sich mit seinen vielen Details, der packenden Story, den starken Charakteren und seiner originellen Form mit einem Knall in mein Herz geschlichen. Klar, dass ich mich tierisch auf "Gemina", den zweiten Teil der Trilogie, gefreut und diesen sogar gekauft habe, ohne den Klappentext zu lesen. Was zur Folge hatte, dass mich die Geschichte von Band 2 anfangs ziemlich überrascht hat und ich mich zumindest auf den ersten 50 Seiten nicht ganz abgeholt fühlte, denn zunächst treffen wir nicht erneut auf Kady und Ezra, die Helden aus Band 1, und erfahren auch nicht, wie es mit den Überlebenden auf der Hypatia weitergeht. Kaufman und Kristoff springen an einen ganz anderen Winkel der Galaxie - nämlich nach Heimdall, der Sprungstation, auf die sowohl die Hypatia als auch eine Angriffsflotte mit dem Namen Kennedy zusteuern.

 

Der neue Handlungsort, die völlig neue Situation und die neuen Protagonisten Hanna und Nik haben mich zu Beginn etwas aus der Materie geworfen. Ich war einfach so auf Kady und Ezra eingeschossen und noch derart gefangen genommen von den Geschehnissen in "Illuminae", das mich die Ruhe vor dem Sturm auf Heimdall zunächst irgendwie irritiert hat. Auch die Konstellation Hanna - Nik hat mich nicht so ganz überzeugt, denn mit Kady und Ezra hatten die Autoren in Band 1 einfach ein so starkes und toughes Duo eingeführt, dass man sich nur schwerlich an die neuen Charaktere gewöhnt. Zumal das Zusammenspiel zwischen Hanna und Nik gerade am Anfang recht erzwungen wirkt und einfach nicht an das Miteinander von Ezra und Kady heranreicht. In Hinblick auf die Figuren fand ich außerdem einen weiteren Punkt problematisch: Kaufman und Kristoff schicken ein 24-köpfiges Kampfteam nach Heimdall und veranstalten damit ein ziemlich unübersichtliches Figuren-Potpourri, dem man nur mühsam folgen kann. 

 

Ebenso undurchsichtig erscheint zunächst die Handlung - denn diese konzentriert sich in der Hauptsache auf eine nervenzerfetzende Jagd durch die Sprungstation und die zieht sich. Hier hätte ich mir ein bisschen mehr Brisanz und Überraschung gewünscht, denn die ungewöhnliche Aufmachung des "Romans" kennt man schließlich schon von Band 1, sodass das Buch nicht mehr nur mit seiner genialen Gestaltung punkten kann. Aber: Hat man sich erst einmal eingelesen und sich mit den neuen Charakteren und der Sprungstation Heimdall vertraut gemacht, entwickelt auch "Gemina" schnell einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Die Handlung ist zwar, wie gesagt, vor allem in den ersten zwei Dritteln auf Action und Spannung reduziert, entwickelt sich aber in eine Richtung, die mir während des Lesens zunehmend gefallen hat.

 

Der Genremix aus Science Fiction, Thriller, Young Adult und Dystopie gewinnt erneut die Oberhand und erreicht im Zusammenspiel mit der für die Reihe typischen Akten-Form, dass man schlichtweg fasziniert und begierig auf neue Informationen ist. Auch "Gemina" setzt sich wieder aus Tagebucheinträgen, Chatverläufen, Video-Transkriptonen, Dokumentationen, Webeinträgen, Gesprächs-Mitschnitten und so weiter zusammen, enthält gestalterisch zwar wenige neue Elemente, schafft aber im letzten Drittel einen genialen Bogen zu den Geschehnissen in "Illuminae" und erreicht damit, dass dem Leser auch diesmal wieder vor Staunen der Mund offen stehen bleibt. Neben der KI AIDAN wartet "Gemina" mit einer galaktischen Verschwörung enormen Ausmaßes und verschiedensten wissenschaftlichen Theorien auf - dabei werden sämtliche Fäden auf so geschickte Art und Weise miteinander verwoben, dass das Ergebnis schlichtweg erstaunlich ist.

 

Obwohl "Gemina" in Bezug auf Handlung und Charaktere zwar nicht ganz seinen Vorgänger herankommt, weiß die Fortsetzung zu begeistern, den Blickwinkel noch einmal zu verlagern und am Ende mit unerwarteten Entwicklungen und Verwicklungen zu überraschen. Nachdem ich die Startschwierigkeiten überwunden hatte, hat mich die Geschichte bis zum Ende in Atem gehalten und mich (auch und vor allem dank eines miesen-fiesen Cliffhangers par excellence) verzweifelt nach Band 3 lechzen lassen. Was uns da wohl erwartet? Ich bin unglaublich gespannt darauf!

Mein Fazit
So fulminant und spektakulär wie sein Vorgänger "Illuminae" wirkte "Gemina" auf mich nicht, denn vor allem Handlung und Charaktere fand ich anfangs nicht ganz so ausgeklügelt wie erwartet. Danach aber habe ich mich beim Lesen kopfüber in ein weiteres galaktisches Abenteuer gestürzt, die Visualität des "Romans" unglaublich genossen und wieder einmal den erstaunlichen Einfallsreichtum der beiden Autoren bewundert. Nicht ganz so stark wie der Reihenauftakt, aber dennoch ein würdiger und vor allem spannender und unterhaltsamer zweiter Band.