Rezension

Wie die längste Praline der Welt

Die Geschichte der getrennten Wege - Elena Ferrante

Die Geschichte der getrennten Wege
von Elena Ferrante

Bewertet mit 4.5 Sternen

WOW, diese Sprache!! Jeder Satz ein Genuss!!! So intelligent, so künstlerisch, so atmosphärisch, so wahr... Ein herrlicher Ausflug in das Zeitpanorama der revolutionären 68er und frühen 70er Jahre!

Im 3. Teil trennen sich Elenas Wege von denen der Bewohner des Rione endgültig. Während der Rione immer faschistischer wird, beginnt für Elena der steile Weg nach oben der Karriereleiter. Ihr Buch wird veröffentlicht und bis über die Grenzen Italiens gelobt. Auch ihre alten Bekannten lesen "ihre" Geschichte. Sie bewegt sich in den kommunistischen Kreisen der Gelehrten und sieht deren Sonnen- und Schattenseiten. Sie heiratet Pietro Airota und somit in die Bildungselite ein. Und auch für Lila geht es wieder bergauf, sie wird zur Computerpionierin, doch gesundheitlich geht es ihr immer schlechter. Die Freundschaft von Elena und Lila verläuft sich, aber scheiden ist schwer. Selbst, wenn sie keinen Kontakt haben, sind sie doch stark vom anderen abhängig. Elena schreibt ihr eigenens Potential komplett Lila zu. Ohne sie sei sie nichts. Beide jedoch haben einen eigenen Weg außerhalb des Rione gefunden. DOCH IMMER WIEDER DRÄNGT ER SICH IN IHR LEBEN. Dort spitzen sich die politischen Konflikte nur so zu und Elenas ungeahnte Albträume werden wahr. Außerdem ist ihr Eheleben totlangweilig, ihre Intelligenz scheint zu stagnieren, ihr nächstes Buch lässt auf sich warten. Sie schwankt hin und her, entdeckt, dass sie unabhängig werden muss- von Lila, die diesen gefährlichen, manipulitativen Terrorismus in sich trägt und von ihrem Mann- und sucht sich selbst in der Frauenemanzipation. Doch ist sie stark genug, um ihren eigenen Weg zu gehen?

Ferrantes Sprache ist soooooo schön. Es hat solche Freude gemacht, den nächsten Teil zu beginnen. Jeder Satz ist brillant, köstlich, hat seinen eigenen Charme und verborgenen Witz- manchmal aber auch so vulgär direkt, siehe Kapitel 56. Es entsteht eine ganze Welt voller Bilder vom Rione, Neapel, Florenz und seinen Bewohnern. Man fühlt die politischen Unruhen, das Aufbrechen der Frauen, den Kampf der Arbeiterklasse gegen die Unterdrücker, das Aufstreben der Armen gegen die Reichen. Und natürlich die Zerrissenheit, die durch die Trennug des gemeinsamen Lebenswegs zwischen Elena und Lila und beiden und dem Rione entsteht. Es wird gezeigt, dass man seiner Herkunft nicht so einfach entkommen kann, dass man abhängig von ihr ist. --- Bis zur Mitte des Buches ist alles perfekt. Danach nimmt der Sprachstil aber ab, es kommt zu Längen, wenn es um Kenntnisse über die frühe Informatik geht, wobei dies noch sehr spannend, aber doch auch unverständlich ist. Vor allem ziehen sich aber die politischen Konflikte hin. Diese Längen und das Auf und Ab der Geschehnisse, bilden dennoch auf wunderbare Weise Elenas Gefühle und Gedanken wider. Nur langsam findet sie zu sich selbst. Und so ist das Ende dann wieder ganz überraschend und lädt nur zum großen Finale ein. Findet sie ihr Glück? Was passiert mit der Freundschaft? Wird der Rione revolutioniert?