Rezension

Wie ein Rosenbusch

Das schräge Haus - Susanne Bohne

Das schräge Haus
von Susanne Bohne

Bewertet mit 4 Sternen

Der etwas andere Liebesroman, der märchenhaft anmutet, hat mir unterhaltsame Lesestunden beschert.

Beruflich läuft es für Ella rund: Im Ruhrgebiet hat die psychologische Psychotherapeutin eine eigene Praxis. Doch privat ist die 34-Jährige nicht glücklich. Sie ist Single und kinderlos und hat neben ihrer besten Freundin Yvonne und ihrer Großmutter Mina kaum soziale Kontakte. Außerdem leidet Ella noch immer darunter, was an jenem Sonntag im Juni 1986 in Minas Schrebergarten passiert ist. Nicht nur ihre Patienten haben so ihre Probleme. Auch Ella selbst fühlt sich recht schräg, genauer gesagt wie ein Haus mit krummem Giebel oder ein Rosenbusch, der sich nicht von der Stelle bewegen kann. Wird es ihr gelingen, ihre Welt ein wenig geradezurücken?

„Das schräge Haus“ ist ein Roman von Susanne Bohne.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus zwei Teilen. Die ersten sechs Kapitel spielen allesamt am Sonntag, 22. Juni 1986, in der Schrebergarten-Siedlung im Richterbusch. Die übrigen der insgesamt 37 Kapitel mit einer angenehmen Länge sind 26 Jahre später, also im Jahr 2012, angesiedelt. Der Roman endet mit einem kurzen Epilog, der wiederum elf Monate später spielt. Erzählt wird vorwiegend in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Ella, wobei dies nicht konsequent durchgehalten wird, da die Protagonistin auf märchenhafte Weise auch Einsichten in die Gedanken und Gefühle von anderen zu haben scheint. Zudem gibt es mehrere Kapitel, in denen die Perspektive zu weiteren Personen wechselt.

Sehr gut gefallen hat mir der Schreibstil. Er ist warmherzig, lebhaft, anschaulich und bisweilen sogar poetisch. Obwohl das Erzähltempo meist recht langsam ist und die Geschichte erst nach längerem Anlauf Fahrt aufnimmt, kommt beim Lesen keine Langeweile auf. Kreative Wortneuschöpfungen wie „Zeitpudding“ und „Seelenhaus“, treffende Metaphern und Vergleiche, gelungene Beschreibungen und eine dichte Atmosphäre zeugen vom Talent der Autorin, mit Sprache umzugehen. Zwar gibt es einige Wiederholungen, was die Formulierungen angeht, aber daran habe ich mich nicht gestört.

Mit Ella steht eine sympathische Protagonistin mit gutem Herz im Vordergrund, die ihren Hang zum Träumen nicht verlernt hat und die Intention verfolgt, ihren Mitmenschen zu helfen. Ihre Gedanken und Gefühle werden sehr gut deutlich. Sie wird zwar mit liebevollem Blick beschrieben, allerdings auch recht kindlich, realitätsfern und naiv dargestellt. Ihr Verhalten konnte ich nicht immer nachvollziehen. Auch viele der anderen Personen, und dabei nicht nur ihre Patienten, wirken etwas verschroben oder zumindest speziell, was jedoch einen Reiz der Geschichte ausmacht.

Besonderes Interesse hat der Roman bei mir deshalb geweckt, weil es nicht nur um eine Liebesgeschichte geht, sondern auch um Ellas psychotherapeutische Arbeit und die Patienten in ihrer Praxis. Leider vermittelt die Geschichte kein authentisches Bild einer Therapeutin und wirft ein eher schlechtes Licht auf diesen Bereich. Zum einen spricht Ellas mangelndes Selbstbewusstsein und ihre fehlende Verarbeitung eigener Traumata nicht dafür, dass sie selbst die im Studium und in der Ausbildung gelernten Techniken bei sich anwenden kann. Zum anderen verhält sie sich im Umgang mit vor allem einem Patienten zum Teil erschreckend verantwortungslos. Zeitweise wird der Roman auch der Ernsthaftigkeit psychischer Krankheiten nicht ganz gerecht, etwa dann, wenn eine Depression mit suizidaler Tendenz als „Frau Traurigkeit“ verniedlicht wird. Mir ist durchaus bewusst, dass der Wohlfühlroman nicht wortwörtlich genommen werden darf und einen hoffnungsvollen Blick auf das Leben mit seinen wundervollen Momenten bieten möchte. Bei diesem heiklen Thema fehlt es mir allerdings ein wenig an Sensibilität. Positiv anzumerken ist dagegen, dass der Roman viel Tiefgang besitzt und die lobenswerte Botschaft vermittelt, dass es durchaus okay ist, wenn man nicht perfekt ist, sondern Ecken und Kanten hat.

Die reduzierte Gestaltung mit der Schildkröte passt gut zum Inhalt. Schön, dass sich auch im Inneren hübsche, kleine Illustrationen finden. Der Titel ist ebenfalls treffend gewählt.

Mein Fazit:
Mit „Das schräge Haus“ stellt Susanne Bohne ihr Talent zum Schreiben eindrucksvoll unter Beweis. Der etwas andere Liebesroman, der märchenhaft anmutet, hat mir unterhaltsame Lesestunden beschert. Allerdings sind die Darstellungen von Psychotherapie und psychischen Krankheiten stellenweise problematisch.