Rezension

Wie es hätte sein können...

Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer - Alex Capus

Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer
von Alex Capus

Bewertet mit 4 Sternen

Drei Menschen, drei Leben, drei Schicksale. Allen Dreien ist gemein, dass über ihr Leben nur recht dürftige Informationen vorliegen. Geblieben sind das Wissen um ihre Existenz und bei zweien ihre Werke. Doch was ihr Leben ausmachte, liegt im Dunklen. Es handelt sich um drei Personen, die heute weitestgehend vergessen sind: Felix Bloch, Physiker; Laura d’Oriano, Sängerin und Spionin; Emile Gilliéron sen. und jun., Maler und Zeichner. Eigentlich also vier Personen, doch die Gilliérons verschmelzen nicht nur aufgrund ihrer Namensgleichheit immer mehr zu einer Person während der Lektüre.
Hier nun beginnt das Reich des Schriftstellers. Capus hangelt sich an den wenigen bekannten Fakten entlang und füllt die Lücken mit seiner eigenen Phantasie. Da sie alle zur selben Zeit lebten, lässt er zudem stets die Möglichkeit im Raum stehen, dass sie sich irgendwann unter welchen Umständen auch immer einmal begegnet sind. Doch was verbindet diese Menschen ansonst? Zwei stammten aus der Schweiz, die dritte wurde durch Heirat Schweizer Staatsbürgerin. Und die Schweiz wurde ihnen allen zu eng. Zwar wussten sie alle nicht, was genau sie vom Leben wollten, dafür umso besser was es nicht sein sollte. Der Eine wollte blaue Jacken tragen, obwohl im Dorf nur schwarze geduldet wurden. Die Andere sollte ihre Unterwäsche nicht sichtbar für die Nachbarn aufhängen. Und der Letzte fühlte sich mit seiner Leidenschaft für Atomphysik alleingelassen. So verließen sie ihre Heimat und/oder Familien und lebten ihre Leben auf ihre eigene Art.
Dies mag sich nun nicht sonderlich spannend anhören, doch die Geschichten üben eine merkwürdigen Sog aus, der mich das Buch nur schwer aus der Hand legen ließ. Zum Einen liest es sich aufgrund der schönen Sprache Capus' wundervoll (einer meiner Lieblingssätze: 'Zwar fühlte er sich noch immer wie ein Eisbär, der auf einer kleinen Eisscholle der Kenntnis über einen Ozean des Unwissens trieb;'), zum Anderen bindet der Autor das damalige Zeitgeschehen wie selbstverständlich in die drei Biographien mit ein. So bleibt es nicht bei reiner Unterhaltung, sondern man erfährt auch viel Wissenswertes aus dieser Zeit. Einfach schön!
Einen Stern Abzug gibt es dennoch: Zum Einen für zwei inhaltliche Fehler, die so einfach nicht passieren dürfen. Auf Seite 73 heirate Emile eine italienische Kaufmannstochter, auf Seite 137 ist daraus eine gebürtige Athenerin geworden. Und auf Seite 223 träumt Emile jun. davon, nach Hause an den Genfer See zurückzukehren - obwohl dies der Traum des Vaters war.
Das Andere ist die (mal wieder) nicht zutreffende Aussage des Klappentextes. Bis auf Laura (und auch das nur bedingt) handelt es sich nicht um die Darstellung dreier Helden, sondern schlicht um drei Menschen, die einen außergewöhnlichen Lebensweg hinter sich haben. Und wie diese Wege miteinander verbunden bleiben sollen, bleibt auch nach der Lektüre des Buches weitestgehend offen. Schade, lieber Hanser-Verlag, aber das können Sie doch auch besser.