Rezension

Wie Feuer und Wasser

Weit weg ist anders - Sarah Schmidt

Weit weg ist anders
von Sarah Schmidt

Bewertet mit 4 Sternen

Edith aus Berlin, Christel aus Husum, beide siebzigjährig, lernen sich während einer Reha auf Usedom kennen. Christel möchte doch einfach nur nett sein, doch die etwas kratzbürstige Edith will eigentlich nur in Ruhe gelassen werden. Mehr oder minder zwangsläufig raufen sich die beiden dann doch zusammen. Edith weiß, dass sie zurück in ihre Wohnung und nach der Reha ihr selbstbestimmtes Leben wieder aufnehmen kann. Bei Christel ist das so selbstverständlich nicht, ist sie doch schwer krank und zumindest nach Meinung ihrer gluckenhaften Tochter dazu nicht mehr im Stande. Aber – sie möchte auch noch ihre eigenen Entscheidungen treffen und sich nicht in ihr Leben hineinreden lassen.

Christel hat Edith nach Husum eingeladen und weil in der Berliner Wohnung gerade eine Handwerker-Attacke stattfindet, tritt Edith die Flucht an und reist in den Norden. Dort reift der Plan der beiden, gemeinsam auf eine Reise zu gehen, auch wenn dies mit vielen Vorbehalten geschieht. Immerhin gibt es da auch noch das liebe Geld, mit dem Christel großzügig versorgt ist, Edith dagegen muss sich ihre Finanzen einteilen. Auch wenn klar ist, dass Christel für die wesentlichen Kosten der reise aufkommen wird, schließlich braucht sie die Begleitung und manchmal Hilfestellung einer anderen Person. So gibt es über die finanzielle Situation, aber auch viele andere Themen immer wieder Gelegenheiten für  heftige Meinungsverschiedenheiten.

Als Leser/in erleben wir in diesem Buch das Altsein mit sehr vielen und unterschiedlichen Facetten. Vor allem aber zeigt es auch, dass ältere und nicht mehr so selbstständige Menschen nicht bevormundet werden wollen. Auch wenn die körperliche Kraft langsam schwindet, ist doch das eigene Denken nicht am Ende und die  Menschen sind durchaus zu eigenen Entscheidungen fähig.

Dieser Roman ist eine wohl komponierte Mischung aus Humor und Tiefgang. Sarah Schmidt erzählt die Geschichte von Edith und Christel mit sehr viel Situationskomik, beispielsweise wenn die beiden eine Spielbank besuchen. Doch sie findet auch für eine ausgiebige Reflektion dieses Lebensabschnittes die richtigen Worte.

Vielleicht hatte ich zu sehr „Heiterkeit“ erwartet und brauchte deshalb ein wenig längeres Nachdenken über den Roman. Mittlerweile glaube ich, dass sich die Geschichte so oder ähnlich täglich in unserer Nachbarschaft abspielen könnte und wir gut daran tun, manchesmal ein wenig genauer zu schauen. Wie beispielsweise der Briefträger in Berlin, der für mich neben den beiden Protagonistinnen eine bemerkenswerte Figur ist.

Sehr gelungen und zur Lektüre empfohlen, auch wenn man sich an den Personen reiben kann.