Rezension

Wie flieht man aus einem Gefängnis, das jeden deiner Schritte verfolgt?

Incarceron - Catherine Fisher

Incarceron
von Catherine Fisher

Bewertet mit 4 Sternen

Finn ist ein Gefangener Incarcerons. Im Alter von etwa fünfzehn Jahren ist er ohne Erinnerung in diesem riesigen, lebendigen Gefängnis erwacht und wurde von den Comitatus aufgenommen. Gemeinsam mit ihnen überfällt er andere Gruppen von Gefängnisinsassen, um an Nahrung, Kleidung und Rohstoffe zu gelangen. Inzwischen sind drei Jahre vergangen, und Finn wird immer wieder von merkwürdigen Visionen heimgesucht, die ihm scheinbar Erinnerungen an ein Leben außerhalb des Gefängnisses zeigen. Stammt Finn tatsächlich von Außerhalb? Eine Flucht aus Incarceron ist der Legende nach erst einem Menschen gelungen. Als Finn ein geheimnisvoller Schlüssel zufällt, möchte er gemeinsam mit einigen Freunden die Flucht wagen. Seine große Hoffnung dabei ist Claudia, die Tochter des Hüters von Incarceron, die im Außerhalb lebt. Durch ein Gegenstück des Schlüssels kann sie Kontakt zu ihm aufnehmen. Doch kann sie ihm auch zur Flucht verhelfen?

Das Cover des Buches finde ich sehr schön. Schlüssel spielen im Buch eine wichtige Rolle, und daher ist auch ein rätselhaft wirkendender Schlüssel erhaben auf der Mitte des Covers aufgedruckt. Im grün gefärbten Hintergrund sieht man die steinernen Wände Incarcerons und metallische Blätter, wie sie im Wald aus Metallbäumen, den Finn auf seiner Reise durchquert, vorkommen.

Die Idee eines lebendigen Gefängnisses war für mich völlig neu und hat mich fasziniert. Wirkt die Welt Incarcerons zu Beginn noch sehr verwirrend, erfährt der Leser im Laufe der Handlung immer mehr darüber. Es besteht aus riesigen Landstrichen mit ganzen Städten, recycelt seine Bestandteile stets vollständig und greift scheinbar wahllos seine Bewohner an. Wie soll bloß eine Flucht gelingen, wenn das Gefängnis jeden Schritt verfolgt und jedem den Weg abschneiden kann? Der mysteriöse Schlüssel und die Verbindung zu Claudia scheinen die einzigen Hoffnungsschimmer zu sein. Und so entwickelt sich das Buch aus Finns Perspektive zu einem großen Abenteuer, das er gemeinsam mit seinen Freunden Keiro, Gildas und Attia bestreitet. Zahlreiche unvorhersehbare Herausforderungen hielten dabei die Spannung hoch. Doch obwohl ich im Laufe der Reise immer mehr über Inarceron erfuhr, kann ich mir einige Aspekte seiner Funktionsweise (die ich an dieser Stelle nicht verraten kann, ohne zu spoilern) einfach nicht richtig vorstellen. Vielleicht hält die Fortsetzung weitere Erklärungen bereit?

Wie auch das Leben in Incarceron ist Claudias Leben im Außerhalb gewöhnungsbedürftig. Jeglicher Fortschritt ist verboten, die Gründe werden jedoch nur angedeutet. Als Tochter des Hüters von Incarceron soll sie bald mit dem Prinzen verheiratet werden und unter der Anweisung seiner Mutter alles lernen, um bald selbst Königin zu werden. Doch im Vorfeld der Hochzeit stellt Claudia einige Nachforschungen an und stellt fest, dass sie von Intrigen umgeben ist und ihr Vater sie belogen hat. Ihre Gefühle der Entrüstung und Verzweiflung konnte ich gut nachvollziehen und ebenso ihren Entschluss, Finn zu helfen. Natürlich berührt sie seine Geschichte sehr, doch hinter dieser Auflehnung gegen ihren Vater steht auch die Hoffnung, ihrem eigenen Schicksal zu entkommen.

Die Beziehung zwischen Claudia und Finn ist in diesem ersten Teil der Serie noch (?) recht distanziert, da sie sich nur in wenigen Gesprächen kennenlernen. Ich bin sehr gespannt, ob die beiden in der Fortsetzung eine größere Verbundenheit entwickeln. Aufgrund der räumlichen Distanz sind die Gespräche zwischen den beiden der einzige Berührungspunkt der ansonsten separaten Handlungsstränge, die abwechselnd beschrieben werden. Beide Handlungen wiesen jedoch Spannung, Gefühl und unerwartete Wendungen auf, sodass ich beide Perspektiven gerne gelesen habe.

„Incarceron – Fliehen heißt sterben“ ist der spannende Auftakt einer neuen Reihe. Aus zwei Sichten wird die Welt innerhalb und außerhalb von Incarceron beschrieben. Alles dreht sich um den Versuch, aus dem riesigen, lebendigen Gefängnis zu fliehen. Doch ist eine Flucht überhaupt möglich? Wer Dystopien mag, dem kann ich empfehlen, dieser Frage selbst auf den Grund zu gehen!