Rezension

Wie gut kennen wir einen Menschen wirklich?

Als die Liebe endlich war - Andrea Maria Schenkel

Als die Liebe endlich war
von Andrea Maria Schenkel

~~Inhalt
Carl flieht 1938 als elfjähriger mit seiner Mutter und der kleinen Schwester aus Bayern nach Shanghai. Obwohl sein Vater ein Jude ist, bleibt er als einziger in Deutschland zurück und nimmt lieber die Gefahren durch die Nazis in Kauf, als seiner Heimat den Rücken zu kehren. Viele Jahre später lebt Carl mit seiner Frau Emmi gemeinsam in Amerika und wird mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Einer Vergangenheit, die die Frage laut werden lässt, wie gut wir einen Menschen kennen, mit dem wir einen Großteil unseres Lebens verbracht haben.

Meine Meinung
Andrea Maria Schenkel legt mit "Als die Liebe endlich war" ihren ersten Nicht-Krimi vor, der mich jedoch ähnlich stark an das Geschehen fesselte, wie es ihre Spannungsromane taten. Sie erzählt im Grunde genommen drei Geschichten. Die Geschichte von Carl ab dem Jahr 1938 als er noch ein Junge war sowie von Carl im Jahr 2010 als er ein alter Mann ist, der über viele Jahre hinweg sein Leben neben Emmi gelebt hat. So wie es scheint ohne jeglichen Zusammenhang, erzählt die Autoren in einem dritten Strang aber auch die Geschichte von Erna.

Schon zu Beginn war mir klar, dass ich dieses Buch kaum zur Seite legen kann. Es hat die nötige Mischung aus Distanz und Emotionalität, die zu einer gut geschriebenen Geschichte dazu gehört. Das damalige politische Geschehen beschreibt die Autorin anschaulich und was mir besonders gefällt: ich konnte durch den Roman so einiges lernen, was ich vorher über die Nazi-Zeit nicht wusste. So war mir z.B. nicht bewusst, dass Shanghai das einzige Ziel war, in das Juden ohne ein Visum einreisen durften oder aber auch, welch große Bedeutung ein Mutterkreuz für viele Mütter hatte.

Als Quintessenz der Geschichte steht für mich vor allem die Frage, wie gut man einen Menschen wirklich kennt. Selbst dann, wenn man den Großteil seines Lebens mit ihm verbringt bleibt doch immer etwas ungesagt und im Verborgenen. Auch wenn das Zusammensein durch eine große Liebe begleitet wird, offenbart kein Mensch dem anderen alles, sondern hält etwas zurück, was er lieber verschweigt, dessen er sich schämt oder auch nur nicht für wichtig genug erachtet, um es zu teilen. Manches Erlebte jedoch ist so schrecklich, dass man hofft, dass es nie an die Oberfläche gerät und der andere es erfährt. So ist es auch bei Emmi, die wahrlich nicht stolz auf das ist, was sie als junge Frau tat und dies lieber ungeschehen machen würde. Worin dieses Geheimnis besteht, sei an dieser Stelle natürlich nicht verraten. 

Zuletzt möchte ich noch einen kleinen Appell an diejenigen richten, die bei dem Titel "Als die Liebe endlich war" an eine romantische Schmonzette denken. Das würde dem Buch absolut nicht gerecht werden. Ja, es beinhaltet auch eine Liebesgeschichte, ist aber so viel mehr. Es ist ein Roman, der nachhallt und die Handlung nicht so schnell vergessen lässt. Gut recherchiert, berührend und eindringlich geschrieben!

Fazit
"Als die Liebe endlich war" ist ein Buch, welches mich berührt und nachdenklich gestimmt hat. Ein wunderbares Lese-Erlebnis, für welches ich gerne eine Kauf- und Leseempfehlung aussprechen möchte.