Rezension

Wie junge Frauen lernen, mit Erfolg zu scheitern

Mutig, nicht perfekt - Reshma Saujani

Mutig, nicht perfekt
von Reshma Saujani

Bewertet mit 4.5 Sternen

Reshma Saujani war seit frühester Kindheit gewohnt aufzufallen – ihre indischstämmigen Eltern wanderten aus Uganda in die USA ein und im Viertel waren sie die einzige Familie mit südostostasiatischen Wurzeln. Als Saujani mit 30 für einen Sitz im US-Kongress kandidiert und vernichtend gegen die politikerfahrene Gegenkandidatin verliert, wird das Scheitern zu einer entscheidenden Wende in ihrem Leben. Sie erkennt, dass sie sich, wie viele Frauen es tun, bisher nur Ziele gesetzt hat, die sie sicher bewältigen konnte und im Scheitern an einer Aufgabe völlig unerfahren war. Frauen bewerben sich erst für eine Aufgabe, wenn sie über 100% der geforderten Qualifikationen verfügen, Männer bereits bei 60% der Kompetenzen. Eltern und Lehrer konditionieren offenbar in bester Absicht Mädchen darauf, Enttäuschungen zu vermeiden, während Jungen ermuntert werden, sich mit anderen zu messen, Risiken einzugehen und sich nach einer Niederlage buchstäblich den Staub abzuklopfen, um die nächste Aufgabe in Angriff zu nehmen. Wer nicht lernt, nach einem Scheitern wieder aufzustehen, wird nie seine Träume verwirklichen können und nie ein Unternehmen gründen, so die Autorin. Der Perfektionismus von Bewerberinnen verhindere eine höhere Anzahl von Frauen in Führungspositionen und sei auch Grund dafür, dass Frauen weniger erfolgreich aus Gehaltsverhandlungen hervorgehen, folgert Saujani.

Mit ihren Erkenntnissen rennt sie in den Sozialen Medien offene Türen ein. Reshma Saujani reagiert auf ihre Einsicht aus den og. Fakten, indem sie sich in „Girls Who Code“ für den IT-Unterricht für Mädchen engagiert, um Schülerinnen besser auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Mädchen sollen die Barbie-Welt überwinden, die postuliert, Frauen könnten ohne fremde Hilfe nichts erfinden oder konstruieren. Langfristig geht es ihr jedoch darum, eingefahren Denkmuster bei Eltern und Erziehern zu verändern. Warum fühlten Frauen sich bisher verpflichtet, andere glücklich zu machen? Warum bringt Liebenswürdigkeit sie im Berufsleben keinen Schritt weiter? Und warum nimmt bereits bei 8-jährigen Mädchen der Entdeckerdrang spürbar ab, während eine innere Kritikerin sie davon abhält, sich mit anderen zu messen? Warum treten in Klassenlektüren selten weibliche Helden auf? Was in Familien, Schulklassen und Kindercliquen in diesem Alter mit dem Selbstbild von Mädchen geschieht – und das in unterschiedlichsten Kulturen – finde ich hoch interessant.

Saujani macht ihren Leserinnen bewusst, wie sie - auch unbewusst – am Prozess der Entmutigung von Mädchen beteiligt sind. Es geht ihr darum den Unterschied zwischen einem statischen Selbstbild (ich kann es nicht und werde es nie wieder tun) und einem dynamischen Selbstbild (ich werde mich anstrengen und es wieder versuchen) zu verdeutlichen. Mut sei ein Muskel, der ständig trainiert werden muss, damit er nicht schrumpft. Wichtig ist ihr – gerade im Windschatten der MeToo-Bewegung - die Rolle Sozialer Medien, die mit designten Online-Persönlichkeiten in den weiblichen Perfektionismus zurückfallen, den Frauen wie Saujani längst abgeschafft haben wollten.

In ihren konkreten Strategien zur Veränderung von Denkmustern geht es darum, dass erst das Tun das Denken verändern kann, um Killer-Phrasen-Ketten, um Neinsagen-Können, das Fordern, den Perfektionismus von Müttern, das Akzeptieren von Ängsten als Teil unserer Persönlichkeit und den Umgang mit Feed-Back.