Rezension

Wie kann sich das richtige Leben nur so falsch anfühlen?

Kampfsterne - Alexa Hennig von Lange

Kampfsterne
von Alexa Hennig von Lange

Bewertet mit 5 Sternen

1985 – Es ist ein verrückter, heißer Sommer, in dem Boris Becker Wimbledon gewinnt, vier Passagierflugzeuge innerhalb eines Monats abstürzen, alle großen Rockstars bei Life Aid für das hungernde Afrika singen und in einer Siedlung am Rand der Stadt drei Familien zu zerbrechen drohen. 
Drei Paare. Mütter und Väter. Ulla und Rainer. Rita und Georg. Ella und Bernhard. Sie wohnen in dänischem Design, fahren nach Südfrankreich in den Urlaub, schicken ihre Kinder zum Cello-Unterricht und zum Intelligenztest. Sie versuchen, sich als aufgeklärte und interessierte Menschen zu beweisen, die das richtige Leben führen. Wo wäre das leichter als in den sorgenfreien Achtzigerjahren der Bundesrepublik? Und warum funktioniert es trotzdem nicht? 
Alexa Hennig von Lange erzählt die Geschichte einer Generation von Eltern, die ein freieres Miteinander wollten. Der Ideologien, denen sie folgten. Der Liebe, die sie verband. Der Ängste, die sie hatten. Der Kindheit, die sie sich für ihre Söhne und Töchter wünschten. Der Fehler, die sie machten. Der Entschlüsse, die ihre Kinder deshalb fassten. Die Sprache mit der die Autorin dieses Werk erzählt ist gewöhnungsbedürftig, aber wenn man sich darauf einlässt, ist sie großartig, die Geschichte ist unglaublich abgefahren aber extrem unterhaltsam! Den Reigen aus Einzelschicksalen verdichtet Alexa Hennig in einer lakonisch verknappten Sprache meisterhaft. Präzise zeigt sie auf, wie deren unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen aufeinanderprallen und sich schließlich in einem spontanen Akt der Verzweiflung entladen. Sie schreibt ohne Rücksicht, ohne Scham, ohne Bremse, wechselt atemlos die Perspektive, daß einem als Leser schwindelig wird. Passt genau zu dem Buchcover, extravagant, und handelt vom Mittelstands(un)glück in einem bundesrepublikanischen Winkel, der nur noch in der Literatur vermessen werden kann. Es scheint es ist ein Buch für alle die jenseits der normalen Literatur mal Lust auf etwas abgefahrenes haben, es ist ein Sentiment, eine Flut an Erinnerungen.