Rezension

wie man eine unausgereifte Story zum Bestseller macht

Feuchtgebiete - Charlotte Roche

Feuchtgebiete
von Charlotte Roche

Bewertet mit 2 Sternen

Lange Zeit habe ich mich dagegen gesträubt dieses Buch zu lesen. Schuld daran war der Presserummel und die ekelerregenden Textpassagen, welche die Autorin bei jeder Gelegenheit, ob im Radio oder im TV, zum Besten gab und die bei mir akute Anfälle von Würgereiz verursachten.
Jetzt, animiert durch die Werbung zu Frau Roche neuem Roman "Schoßgebete", habe ich mich doch dazu durchgerungen, mich mal mit den vollen 200 und ein bisschen Seiten dieses Romans auseinanderzusetzen. Meine Erwartungen wurden durchaus erfüllt (auch der Würgereiz war zuverlässig wieder da), aber ich war teilweise doch auch ziemlich überrascht...

Kurz zum Inhalt: Die 18-jährige Helen landet nach einer missglückten Intimrasur im Krankenhaus und lässt den Leser an ihren Erfahrungen im Sexualleben und mit diversen Körperflüssigkeiten und -öffnungen teilhaben. Den Krankenpfleger Robin findet sie recht ansprechend, hofft auf die Versöhnung ihrer geschiedenen Eltern und offenbart zum Schluss doch noch eine etwas tiefgründigere Seite ...

Überrascht hat mich das Buch vor Allem dadurch, dass ich vom eigentlichen Plot trotz des ganzen Rummels, den der Roman in der Presse verursacht hat, rein gar nichts wusste. Das Interessanteste am Inhalt war daher für mich tatsächlich erstmal, dass er existiert, und, dass das Buch doch nicht nur aus der von der Autorin ständig verlesenen Anti-Hygiene-Fäkalsprache besteht.

Leider bleibt es aber auch schon fast bei der reinen Existenz einer halbwegs tiefgründigen Hintergrundstory um ein sozial eher einsames jugendliches Mädchen mit zerrüttetem Elternhaus und tiefsitzenden Problemen, das sich in oberflächliche Beziehungen stürzt, ein erschreckendes Sexualleben pflegt und in Form von selbstverletzendem Verhalten sogar eine ernsthafte psychische Erkrankung durchblicken lässt. Das alles wird aber durch die ganzen ekelhaften Geschichten über Sexpraktiken und Hygieneverstöße so sehr in den Hintergrund gedrängt, dass die Geschichte meiner Meinung nach ihr Potential nicht ausschöpfen kann. Dabei gehört die Zweckentfremdung von selbst gezüchteten Avocado-Kernen noch zu den harmloseren, das Austauschen von benutzten Tampons zu den abstoßensten Ergüssen der jungen Protagonistin.

So lässt Frau Roche die eigentlich ganz interessante Geschichte um Helen lieber oberflächlich und opfert jegliche Tiefgründigkeit ihrer Fäkalsprache, die sich teilweise liest, als hätte eine Früh-Pubertierende zu viele Erwachsenenfilmchen gesehen und würde sich nun darüber auslassen. Den übertriebenen Hygienewahn, den die Autorin behauptet anfechten zu wollen, habe ich in meinem persönlichen Leben nie als so übertrieben ausgeprägt empfunden, dass man ihm mit solchen - größtenteils gesundheitsschädlichen - Geschichtchen entgegenwirken müsste. Gerade zu Anfang dieses dünnen Romans reiht sich ein Ekel an den nächsten, für eine ausreichende Entfaltung der eigentlichen Handlung bleibt auf den paar Seiten dann gar kein Platz mehr.

So komme ich für mich zu dem Fazit, dass hier ein halbwegs anständiger, wenn auch nicht seltener oder besonders origineller Plot künstlich und übertrieben pressetauglich gemacht wurde, um eine Durchschnittsstory zum Bestseller zu prügeln. Dass spricht zum einen für das wenig ausgeprägte schriftstellerische Talent der Autorin, die es nicht schafft ohne "Sex-sells" (bzw. besser "Scandal-sells") und niveauloses Tabu-Bruch-Geschreibsel einen verkaufsfähigen Roman zu erschaffen, und zum anderen für die Skandal-Geilheit der Medien, aber es spricht ganz und gar nicht für diesen Roman.
Ich kann ihn daher nicht empfehlen, gebe aber dennoch einen Extra-Stern für das überraschende Vorhandensein einer zumindest potentiell lesenswerten Hintergrundgeschichte. Es war einfach nicht ganz so mies, wie ich es anfangs befürchtet hatte.

Kommentare

jellybear kommentierte am 14. September 2013 um 13:42

Normalerweise lese ich jedes Buch bis zum Ende. Bei nur ganz wenigen ließ mein Durchhaltevermögen allerdings zu wünschen übrig. Leider geört hier auch "Feuchtgebiete". Nach über 50 Seiten, in denen nicht wirklich etwas passiert ist und irgendwelche zusammenhanglose Teile aus dem Leben der Protagonistin erzählt werden, konnte und wollte ich nicht mehr weiter lesen. Wie oben bereits erwähnt besteht die Story aus teilweise sehr eklige Szenen, die man sich nicht unbedingt vorstellen möchte.

Nicht nur der Inhalt, auch der Schreibstil der Autorin hat mich überhaupt nicht überzeugt.

Schade, dass heutzutage nur ein vermeintliches Skandal-Buch (siehe auch Shaeds of Grey) durch den Medienrummeln gepuscht wird und die wirklichen Talenten auf der Strecke bleiben.