Rezension

Wie man (nicht) erfolgreich mit seiner Vergangenheit zusammenwohnt

Fly & Forget
von Nena Tramountani

Bewertet mit 5 Sternen

Eine Lovestory, die man kaum in Worte fasse kann, die aber voll weiser Worte steckt.

„Das Problem ist, dass sie das größte Geschenkt des Universums ist. Und gleichzeitig mein Untergang.“

In Livs Leben läuft es – rückwärts und bergab. Gerade erst endete ihre Beziehung in einem Desaster, sie steht ohne Wohnung da und auch ihr Journalismus Studium bereitet ihr Sorgen, da droht sie auch noch aus der Uni-Redaktion zu fliegen.

Doch dann scheint ein Lichtblick in Sicht, auch wenn sich alles in Liv gegen ihn strebt. Dennoch muss sie sich eingestehen, dass die WG von ihrem ehemaligen besten Freund Noah nicht nur ihre Wohnungssituation retten könnte, sondern dass sich Noah, mit seinem Fuckboy-Image, perfekt für die nächste Titelstory, ihre letzte Chance in der Redaktion, eignet.

Aber Noahs Feindseligkeit ihr gegenüber erschwert den WG- Alltag und auch Livs Projekt ist schnell dem Scheitern verurteilt, da es sie dazu zwingt, sich endlich mit der Vergangenheit auseinander zu setzten. Und diese ist nicht nur schmerzhaft & tragisch, sondern auch noch längst nicht abgeschlossen.

Die gesamten Charaktere, also die Soho-Clique, ist künstlerisch veranlagt, was ich unglaublich interessant finde. Für den Start der Trilogie wählte die Autorin die beiden Schreiberlinge, Noah und Liv, als Protagonisten. Schon allein diesen Fakt liebe ich. Als Lese- und Schreibbegeisterte finde ich es total spannend, wie man mit Worten ausdrückt, was man fühlt, wenn man mit Worten spielt.

Aber auch in anderen Punkten merkt man die Liebe der Autorin zum Detail und nichts überlässt sie dem Zufall. Alles hat seinen Grund, und so lernen wir zum Beispiel auch schon die Protagonisten aus den folgenden Bänden kennen und lieben und man freut sich automatisch aufs Weiterlesen.

Nun aber erstmal zu unseren beiden aktuellen Protagonisten, die mir beide ganz viel bedeuten:

Ich liebe Noah, weil er in Livs Gegenwart nichts mit einem Fuckboy zu tun hat, sondern einfach jedes Herz zum Schmelzen bringt. Noah spielt keine Sekunde mit ihr, er vertraut Liv noch immer, und das bricht mir ebenso das Herz, wie ich es feiere.

Liv dagegen spielt mit Noah, aber kann man es ihr wirklich übelnehmen?

Ich wollte sie dafür hassen, doch habe ich sie auch verstanden. Man kann sich super in beide Parteien reinversetzte, und das wühlt den Leser extrem auf. Greifbare Emotionen. Von Anfang an eine zum Zerreißen gespannte Stimmung, die voller Prickeln und Knistern ist.

Und gleichzeitig ist da immer diese Gewissheit: Einer von beiden wird verlieren. Mindestens einer von beiden wird ungemein verletzt werden und leiden. Das hat mir rasch ein unangenehmes Gefühl der Vorahnung im Hinterkopf beschert. Ist so eine Sache… nervt oft, weil man die Geschichte dann nicht richtig genießen kann. Allerdings war es hier anders. Auch wenn dieses typische „Klischee“ nicht ausgelassen wurde, es wurde überlagert von vielen anderen, viel wichtigeren Emotionen.

Daher hatte ich beim Lesen die ganze Zeit das Bedürfnis, meine rasenden Gedanken, das enorme Gefühlschaos in mir, sofort irgendwo und irgendwie festzuhalten. Aber viel wichtiger erschien es mir, weiterzulesen. Noah und Liv ihre Geschichte endlich, endlich beenden zu lassen.

Denn manchmal hatte ich wirklich das Gefühl, dass sich alles extrem zog, in die Länge, in die Dramatik. Auf der anderen Seite ist es genau das, was ich an der Story so sehr liebe: Die enorme Dramatik, keine Drama-Queen-Manier, sondern echtes Gefühlschaos. Der riesige Schmerz in den Worten ist echt, und der Schmerz, der sich zwischen all den Zeilen verbirgt ist noch gewaltiger. Gleichzeitig ist das Buch ganz großes Kino der Gefühle der romantischen Art. Ich meine, der Ansatz ist doch schon zum Dahinschmelzen, oder? Seelenverwandte, die trotz dem ganzen Schrott in ihrem Leben, wieder zueinanderfinden. Diese Botschaft, was zusammengehört, findet irgendwann, irgendwo, irgendwie zueinander, hätte schon gereicht, um mich weichzukochen. Doch nein, Nena Tramountani setzte direkt noch einen drauf und verpackte ihren überaus gelungenen Plot mit wundervollen Worten, die mich sehr berührt haben.

Fazit:

Ich habe beim Lesen gelacht. Ich habe mich in die Figuren, allesamt, verliebt. Ich habe mich in dem Schreibstil verloren. Ich habe beim Lesen geweint, meine Augen blieben kaum ein Kapitel trocken. Ich habe schrecklich gelitten, während mir unglaublich viele Szenen persönlich sehr nahe gingen.

Ich möchte deshalb unbedingt erwähnen, dass man diesen Roman nicht mit der Erwartung an eine unterhaltsame Liebesgeschichte angehen sollte, denn das ist dieses Buch nicht. Der Unterhaltungsfaktor ist Nebensache. Man muss sich vielmehr darauf vorbereiten, dass einen diese Gefühle völlig von den Socken reißen und dennoch kann man sich nicht einmal ansatzweise darauf vorbereiten, wie unfassbar großartig und einfühlsam, greifbar und wirklichkeitsnah die gesamte Geschichte am Ende tatsächlich ist. Ich möchte nicht behaupten, dass alles an dem Buch perfekt ist. Aber darum geht es auch gar nicht.

„Fly & Forget“ ist für mich ein ganz besonderes Buch, dass mir unfassbar viel bedeutet und daher für immer einen ganz speziellen Platz in meinem Herzen haben wird. Ich kann es definitiv weiterempfehlen, aber wie gesagt, nicht unbedingt an die zart besaiteten unter uns ;-) ich geben dem Buch 5 von 5 Sterne.