Rezension

Wie sie wurden was sie sind

Krähenmädchen - Erik Axl Sund

Krähenmädchen
von Erik Axl Sund

„Krähenmädchen“, im Original 2012 erschienen und von der Schwedischen Krimiakademie mit einem Preis ausgezeichnet, ist der erste Teil der Victoria Bergman-Trilogie des schwedischen Autorenduos Jerker Eriksson und Håkan Axlander Sundquist, die unter dem Pseudonym Erik Axl Sund veröffentlichen.

Die Protagonisten in diesem düsteren Psychothriller sind allesamt weiblich: Jeanette Kihlberg, Kriminalkommissarin, Sofia Zetterlund, Psychotherapeutin, und Victoria Bergman, deren Patientin. Ihre Wege kreuzen sich im Zuge einer Mordermittlung, mit der Kihlberg beauftragt ist. Als nacheinander zwei jugendliche Mordopfer aufgefunden werden, deren Körper schwerste Misshandlungen und Missbrauchsspuren aufweisen, nimmt sie Kontakt zu der Therapeutin auf, bei der einer der beiden in Behandlung war.

Zetterlunds Spezialgebiet sind multiple Persönlichkeiten, und gleich zwei ihrer Patienten weisen die entsprechenden Symptome auf. Zum einen ist das Victoria Bergman, eine Frau mittleren Alters, die mit noch immer mit den Nachwirkungen von Vorfällen in ihrer Kindheit kämpft, zum anderen Samuel Bai, ein ehemaliger Kindersoldat aus Sierra Leone, der bereits in ganz jungen Jahren das Handwerk des skrupellosen Tötens gelernt hat.

Konfrontiert mit diesen beiden Biografien müssen sich die Kommissarin und auch die Therapeutin die Frage stellen, wie sich solch schreckliche Erlebnisse auf die Entwicklung von Kindern auswirken. Und es stellt sich die Frage, ob aus den ehemaligen Opfern womöglich eines Tages grausame Täterwerden...

Sehr verhalten und klar, fast schon unterkühlt, entwickelt das schwedische Autorenduo diese dunkle Geschichte, bei der das Grauen buchstäblich unter der Oberfläche lauert. Vieles bleibt unausgesprochen und wir nur angedeutet, aber gerade deshalb ist es umso beeindruckender und beschäftigt den Leser, nachdem er das Buch aus der Hand gelegt hat, noch lange Zeit.

Kurze Kapitel und wechselnde Perspektiven sorgen durchgängig für ein hohes Tempo, was durch zahlreiche unerwartete Wendungen im Handlungsverlauf noch unterstützt wird.

Autoren, die Missbrauch in seinen vielfältigen Formen als Thema eines Thrillers wählen, bewegen sich auf dünnem Eis. Im vorliegenden Fall ist es meiner Meinung nach gelungen, denn für mich war „Krähenmädchen“ in erster Linie die Entwicklungsgeschichte einer Psychose. Und obwohl ich manchmal schon schlucken musste, wirkten die Schilderungen zu keinem Zeitpunkt voyeuristisch und effekthascherisch.

„Krähenmädchen“ bietet Hochspannung vom Feinsten – ich bin schon sehr gespannt auf „Narbenkind“, den zweiten Band der Reihe, der am 15.09.14 erscheint und die Geschichte um Jeanette, Sofia und Victoria fortschreibt.