Rezension

Wie viel Erfüllung vertragen wir?

flüchtig - Hubert Achleitner

flüchtig
von Hubert Achleitner

Inhalt:

Maria ist verschwunden. Seit Monaten hat Herwig, mit dem sie seit fast dreißig Jahren verheiratet ist, nichts von ihr gehört. Dass sie ihren Job gekündigt und seinen Volvo mitgenommen hat, lässt zumindest hoffen, dass sie noch am Leben ist. Doch was ist passiert, mit ihrer Ehe, ihrer Liebe, ihrem gemeinsamen Leben? Hubert Achleitner schickt seine Protagonisten auf eine abenteuerliche Reise, die sie von den österreichischen Bergen quer durch Europa bis nach Griechenland führt. Und die für beide doch in erster Linie eine hochemotionale Reise in ihr Inneres bedeutet. Ein weiser und sehr musikalischer Roman über Liebe und Sehnsucht, das Schicksal und das flüchtige Glück … „Flüchtig wie die angezupften Töne der Bouzouki waren die Begegnungen mit diesen Menschen. Dennoch hinterließ jeder von ihnen eine Melodie in meinem Herzen, die weiterschwingt.“

 

Meine Meinung:

Dieses Buch habe ich mit Spannung erwartet. Der Autor ist ja bekannt als Hubert von Goisern. Ich bin kein Volksmusik-Fan, aber seine Musik liebe ich, und so habe ich mir auch Konzertkarten für seine diesjährige Tournee erstanden, dessen Termin leider wegen „Corona“ verlegt wurde und so muss ich mich noch bis Nov. 2021 gedulden.

Okay, ich war extrem neugierig, wie sich von Goisern als Autor machen würde. Und … was soll ich sagen: Ich bin total begeistert über seinen wortgewaltigen Schreibstil. Das gibt es Sätze, die anmuten wie die Tonfolgen einer Melodie, die einmal leicht und luftig wie der Flügelschlag eines Schmetterlings daherkommen, dann wieder gewaltig, wie der Donnerschlag einer Konzertpauke. Achleitner versteht es zu verzaubern. Er nimmt den Leser mit auf philosophische Gedankenexkurse.

Aber nun zu Maria, die ihren Ehemann nach 30 Ehejahren scheinbar grundlos verlässt. Wer ist diese Frau? Ein Winterkind, mit animalischem Pragmatismus, der das Reden nicht liegt, die das praktische Handeln vorzieht. Die Frage musste nicht lauten: „Warum jetzt“, sondern „Warum erst jetzt“. Kann ich Maria verstehen? Oja, ich bewundere ihren Mut, ihrem Leben eine Wende zu geben, ohne ein Wort die Zelte abzubrechen. Aber ich spüre auch ihre Trauer. Da ist so viel an Gemeinsamkeit, die sich nicht einfach absteifen lässt. Und ist Eifersucht nicht auch ein Beweis für Liebe?

Herwig und Maria, haben vor über 30 Jahren den Bund fürs Leben geschlossen. Wig war vom ersten Augenblick an von Maria verzaubert. Doch was geschieht mit der Liebe, wenn sie in die Jahre kommt?

Marias Reise führt uns in eine bunte Hippiewelt. Da ist das Regenbogentreffen, dass sie mit der Anhalterin Lisa besucht. Wir treffen Nonkonformisten und Freigeistern. „Der Weg zu den Sternen führt über raue Pfade.“ Wir reisen mit Maria und Lisa nach Griechenland, und lesen vom Heiligen Berg und von der autonomen Mönchsrepublik, die nur über den Seeweg zu erreichen ist und deren Zutritt Frauen verwehrt ist.

Musik zieht sich durch das gesamte Buch. Maria begegnet immer wieder Musik, passend zu ihrer Stimmung, da ist Leonard Cohen, Jimi Hendrix, John Lennon. Der Bouzouki-Spieler liebkost sein Instrument. Und Maria wacht morgens mit Musik im Kopf auf. Wir lesen vom Rhythmus der Meereswellen und vom Gesang der Vögel. Und auch Herwig ist Musiklehrer. Musik, so schön und doch so flüchtig. Flüchtig wie die Liebe, wie das Leben?

Ein Zitat, dass ich sehr mochte, ist mir auf Seite 134 begegnet:

„Doch wie viel Erfüllung vertragen wir? Was passiert, wenn wir übergehen vor Glück? Musste es nicht auch unerfüllte Tage geben? War eine schattenlose Welt nicht genauso schlimm wie eine ohne Licht? Braucht unser Leben nicht beides? Ist es nicht unsere Bestimmung, um das Licht zu tanzen wie die Erde um die Sonne? Und ihm immer wieder den Rücken zuzuwenden?“

Und hier noch ein paar Zitate, die ich mir unbedingt notieren musste: „Wenn die Zeit reif ist, passieren Dinge wie von selbst, ohne Anstrengung und ohne dass man das Gefühl hat, sich dafür entschieden zu haben.“

„Die Zeit hatte sich aufgelöst oder verformt, wie in einem Salvadore-Dali-Bild.“

„Das Meer sei wie eine Frau, es lässt sich nichts sagen. Man könne lernen, es zu verstehen, müsse aber immer auf der Hut sein, dass es die Meinung wechselt.“

Das Ende hat fand ich besonders gelungen. Für mich ein grandioser Debütroman. Also Daumen hoch.

Fazit: Unbedingt lesen.