Rezension

"Wieso haben wir das alles zugelassen?"

Die zwei Seiten der Medaille - Sören Resch

Die zwei Seiten der Medaille
von Sören Resch

Bewertet mit 4 Sternen

„Alle DDR-Sportler waren auch Diplomaten im Trainingsanzug.“

 

Der oben angeführte Satz ist einer der ersten in dem Buch Die zwei Seiten der Medaille. Der Autor Sören Resch beschreibt die Situation von Ronny, einem Leistungssportler in der ehemaligen DDR. Es verging kaum Zeit und er musste seine Laufbahn beenden. Die Ärzte entschieden das und der Grund lag darin, dass er häufig verletzt war. Trotzdem durfte er weiter als Trainer der Volleyballmannschaft arbeiten. Eins wollte er allerdings nie, einfach abnicken, was die „Genossen“ der SED beschlossen. Nein, in die Partei eintreten, nur um sein Fortkommen zu sichern, das widersprach so ganz seinem Charakter. Dass er dennoch als Trainer tätig sein durfte, war fast ein Wunder.

 

Der Autor schreibt über die Ereignisse in Prag als Herr Genscher den Flüchtlingen dort mitteilte, dass sie die Grenze zur Bundesrepublik passieren dürfen. Nie werde ich vergessen, wie Genscher auf dem Balkon der Prager Botschaft stand und nach dem entscheidenden Satz der Jubel toste. Aber auch die vorherige Flucht vieler Menschen ist Thema in dem Buch Die zwei Seiten der Medaille. Sie wurden als Asoziale tituliert und in der systemtreuen Zeitung „Neues Deutschland“ scharf verurteilt. Die Sprache dort war von dem „faschistischen und kapitalistischen Westen“. Das wurde übrigens bereits den Kleinsten schon vorgebetet und das täglich.

 

Ronny durfte verreisen und kam auch in den kapitalistischen Westen. Nie hatte er den Wunsch, dort zu bleiben. Er wollte stets zurück, da Eltern und Geschwister hier lebten. Der Roman ist eigentlich keiner im üblichen Sinn. Es ist eher eine Autobiographie von Sören Resch. Allerdings entsprechen nicht alle hier dargestellten Ereignisse den Tatsachen und so wurde das Buch als Roman betitelt.

 

Die zwei Seiten der Medaille ist in vier große Kapitel gegliedert. Mal wird aus der Ich-Perspektive und dann wieder aus der eines Betrachters von Außen berichtet. Ich verstehe nach dem Lesen ein wenig mehr, was die „Ossis“ nach der Wende erlebten und durchmachten. Ja, bis heute rechne ich beim Einkauf vom Euro in DM um. Wie mag es damals gewesen sein, als von heute auf morgen eine neue Währung bindend wurde? Und nicht nur das. Viele Betriebe schlossen und wer dachte, dass die Treuhand für Arbeitsplätze und Gerechtigkeit sorgte, der irrte sich gewaltig. Es gibt noch viele Fakten, die ich nicht auf dem Schirm hatte und mir erst durch das Lesen von #DieZweiSeitenDerMedaille bewusst wurden.

 

Noch ein Zitat aus dem Buch, welches übrigens die Situation in Berlin zur Zeit der Wende sehr gut darstellt: „Nette Menschen – oder Idioten – lassen sich nicht anhand ihrer Ost-West-Herkunft identifizieren.“ So ist es und dafür tritt der Autor ein. Er möchte, dass die Vorurteile und festgefahrenen Meinungen über Ossis und Wessis möglichst schnell der Vergangenheit angehören.