Rezension

Wilde Reise in einem Bücherbus

Die Reise mit der gestohlenen Bibliothek - David Whitehouse

Die Reise mit der gestohlenen Bibliothek
von David Whitehouse

Bobby Nuskus Mutter ist verschwunden. Er lebt nun bei seinem Vater und dessen neuer Freundin Cindy und wartet sehnsüchtig auf die Rückkehr seiner Mutter. Soviel sei vorab verraten: Der Verbleib der Mutter wird im Laufe des Buches geklärt und meine dahingehenden Vermutungen bestätigt.
Die Zeit vertreibt er sich mit seinem einzigen Freund Sunny Clay, der Bobby um jeden Preis beschützen will. Deswegen hat er sich in den Kopf gesetzt, ein Cyborg zu werden. Der scheitert natürlich. Anstatt eine Gestalt – halb Mensch, halb Maschine – zu werden, wird Sunny nur schwer verletzt. Vielleicht ist genau das der Grund, warum Sunny mit seiner Mutter nach Südengland zieht.
Nun hat Bobby auch noch seinen besten Freund verloren.

Man würde Bobby nicht zwingend als mutig bezeichnen. Aber er hat ein großes Herz.
Eines Tages – noch vor Sunnys Umzug – trifft er die etwa gleichaltrige und geistig behinderte Rosa Reed. Das Zusammensein währt nicht lange, denn drei stadtbekannte Rowdies erscheinen auf der Bildfläche. Entgegen Bobbys Rate ergreift die gutmütige Rose nicht die Flucht. Von den Schlägern wird ihr mächtig zugesetzt. Bobby, der in seinem Versteck alles mit angehört hat, begleitet Rosa nach Hause, wo ihre Mutter Bobby für den Übeltäter hält oder zumindest einen Freund der Schläger.
Bobby beschließt, die Sache in seine Hände zu nehmen. Die Rache ist zwar äußerst wirkungsvoll, handelt Bobby aber noch mehr Ärger ein.
Dabei hat er davon schon mehr als Genug. Seinem Vater kann er es nicht recht machen. Vielleicht ist das auch nur die Rache für das Verschwinden seiner Frau. So oder so ist Bobby den Handgreiflichkeiten seines Vaters ausgesetzt. Hämatome zieren ständig seinen Körper.

Val putzt ihrerseits den Bibliotheksbus, dessen Betrieb nun eingestellt werden soll und sie ihre Anstellung verliert. Diese Arbeit gibt ihr ausreichend Freiraum, sich um die speziellen Belange ihrer Tochter zu kümmern. Schnell entwickelt sich eine tiefe Verbundenheit zwischen den dreien (Val, Rosa und Bobby); eine Freundschaft, die Bobbys Vater nicht gutheißt und den Umgang mit seinem strikt untersagt.
Als Val eines Tages die zahlreichen Blessuren auf Bobbys bemerkt, lädt sie Bobby zu einer Abenteuerreise im Bücherbus ein. Eine verrückte Reise quer durch das vereinigte Königreich beginnt.

Die Geschichte ist ansprechend geschrieben. Jede einzelne Hauptfigur hat ihr (mehr oder weniger dunkles) Geheimnis und ein (mehr oder weniger schweres) Los zu tragen. Eine sehr rührende Geschichte, die trotzdem nicht ins Sentimentale oder Melancholische verfällt. Nebenbei wird auf zahlreiche weltbekannte Bücher Bezug genommen, wobei ich die Umsetzung hier wesentlich besser finde, als im Buch "Die Seiten der Welt". Einfach nur ein wunderbar erzähltes Buch, das ich auf jeden Fall noch ein weiteres Mal lesen werde. Ein richtiger Lesegenuss.