Rezension

Willkommen in Green City, der Stadt ohne Intimität.

Die Geschichte der schweigenden Frauen - Bina Shah

Die Geschichte der schweigenden Frauen
von Bina Shah

Bewertet mit 5 Sternen

Die provozierende Vision eines totalitären Staats, in dem Frauen keine Rechte haben. Eine fantastische Dystopie, nichts für schwache Nerven... Die moderne Metropole und Hauptstadt Südwestasiens Green City wirkt auf den ersten Blick wie ein Paradies. Doch der Schein trügt, denn das Verhältnis von Männern und Frauen ist aufgrund eines für Frauen tödlichen Virus ins Ungleichgewicht geraten. Um das Überleben der Gesellschaft zu sichern, sind die Bürgerinnen von Green City per Gesetz dazu verpflichtet, mindestens drei Gatten parallel zu haben, um möglichst effizient für Nachwuchs sorgen zu können. Wer sich weigert wird eliminiert. Erschreckend realistische Dystopie über eine Welt, in der die Menschheit wegen Unfruchtbarkeit auszusterben droht und religiöse Fanatiker ein Terrorregime der Ausbeutung errichten. Doch es gibt Frauen, die Widerstand leisten, Frauen, die sich im Untergrund zu einem Kollektiv zusammengeschlossen haben, Frauen, die sich weigern, Teil dieses Systems zu sein. Um der Zukunft als Gebärmaschine zu entgehen, flieht Sabine in die Panah - einen geheimen Zufluchtsort für Frauen, die sich gegen das System auflehnen. Nachts bieten die Rebellinnen aus dem Untergrund einen höchst illegalen Dienst feil, etwas, was in Green City von Grund auf unterdrückt wird - sie bieten Intimität ohne Sex. Die Panah gibt es nun schon seit dreißig Jahren, also haben ihre Verbündeten sie niemals verraten und vielleicht wird das auch niemals geschehen. Die Panah wird weiter bestehen, solange es eine Nachfrage danach gibt, solange Männer Frauen brauchen - und das bedeutet bis in alle Ewigkeit. Vielleicht ist es ein Leben im Schatten, aber immerhin befiehlt ihnen keine Behörde und kein Amt, wen sie heiraten und für wen sie die Beine breit machen müssen. Niemand kann mit ihren Eierstöcken herumexperimentieren, sie mit Fruchtbarkeitsmedikamenten vollpumpen oder ihren Zyklus und die Eiersprünge überwachen. Ihe Körper sind keine Inkubatoren die die Anzahl der Frauen angemessen vergrößern. Oberirdisch sind die "Rebellinnen aus dem Untergrund" bloß Frauen, aber hier unten, in der Panah, sind sie wieder zu Menschen geworden. Ein tief bewegender dystopischer Thriller, brillant erdacht und geschrieben, der ein beklemmendes und schreckliches Szenario entwirft. Ein mutiger Roman von einer wohl talentiertesten Autorin, den sie in einem vornehmlich muslimisch geprägten Teil der Welt angesiedelt hat, ist eine schon lange notwendige Erweiterung der kulturellen Diskussion. Ein Gottesstaat, in dem Frauen versklavt werden und nur als Gebärmaschinen gehalten werden. Eine beängstigende Geschichte, die von Bina Shah grandios erzählt wird, in einer Zukunft, die gar nicht so weit weg zu sein scheint und hoffentlich niemals eintritt. Eine Geschichte die provoziert, sprachlich nicht selten herausfordernd daherkommt und gleich mehrere hochaktuelle Themen zu einem intelligenten und aufwühlenden Leseerlebnis verbindet. Man begreift als Leser sehr schnell, dass so etwas durchaus jederzeit und überall auf der Welt passieren kann! Sollte man definitiv gelesen haben. Absolut fesselnd, düster, verstörend, aber sehr gut! Ein Buch, das einen so schnell nicht wieder loslässt.