Rezension

Wir waren damals 16, kapierst du das? 16!

Die Lichtung - Linus Geschke

Die Lichtung
von Linus Geschke

Bewertet mit 4 Sternen

„Da lag sie also vor mir, meine Vergangenheit. Insgesamt betrachtet war es eine glückliche, unschuldige Zeit gewesen, und obwohl es auch Schattenseiten gegeben hatte, riefen die Erinnerungen daran jetzt doch eine beklemmende Sehnsucht in mir hervor. Ich versuchte, dies vor mir selbst zu erklären, indem ich mir sagte, dass mein Innenleben gerade in Aufruhr war, weil so vieles auf mich einstürzte. Mir gingen meine verstorbenen Eltern durch den Kopf, meine Jugend, meine damaligen Freunde. Und auch all die Dinge, die unerledigt geblieben waren, weil diese Zeit ein so abruptes vorzeitiges Ende fand. Rückblickend war es mir manchmal so vorgekommen, als hätte das Böse damals noch keinen Platz in meinem Leben gehabt. Aber das stimmte nicht. Es war da gewesen. Schon immer.“

Der Journalist Jan Römer soll für ein Kölner Magazin einen Bericht über einen unaufgeklärten Mordfall schreiben. Im Jahr 1986 wurden auf einer Lichtung im Bergischen Land zwei Teenager ermordet aufgefunden. Das Mädchen wurde vergewaltigt und danach erstochen, der Junge erschlagen. Jan Römer braucht nur das Jahr und den Ort zu lesen um zu wissen, dass er sich genau mit dem Fall beschäftigen soll, den er seit 28 Jahren verdrängt. Denn er war damals dabei, war Mitglied der Clique, die sich zu einem schönen Sommerwochenende zusammengefunden hatte. Einem Wochenende, das traumhaft begann und in einem Alptraum endete.

Jan erkennt, dass er sich endlich mit dem Thema auseinandersetzen muss und nimmt den Auftrag an. Seine Reise in die Vergangenheit wird so einiges auslösen…

 

Dieses Buch fesselte mich von der ersten Seite an. Vermutlich lag das zu einem nicht unerheblichen Teil daran, dass ich mich so gut in die Hauptcharaktere hineinversetzen konnte. Eine Jugend in den 80er Jahren, ein Sommerwochenende mit der Clique… Die Jungs fuhren alle Moped, im Radio lief die Neue Deutsche Welle und von Aids hatte noch niemand was gehört. Speziell die Kapitel, die in der Vergangenheit spielten, waren so geschrieben, dass bei mir ständig eigene Erinnerungen wach wurden.

 

Die Kapitel wechseln zwischen 1986 und 2014. Jan sucht im Rahmen seiner Ermittlungen die alten Freunde auf, liest Akten und besucht Gräber. Und stößt schon bald auf einen Punkt, der alles, was er bislang glaubte, ins Wanken bringt. Wie mag das sein, an alte Freunde zurückzudenken und sich dann einzugestehen, dass einer von ihnen vermutlich ein Mörder ist? Jan tut sich nicht leicht damit, schwankt zwischen schönen Erinnerungen und solchen, die einen rückblickend nachdenklich machen. Und auch in der Gegenwart ist einiges los: Kaum hat Jan mit den Nachforschungen begonnen, wird er bedroht. Als es in seinem Umkreis einen Mord gibt, kann er sicher sein, dass er die Drohung ernst nehmen muss.

An diesem Punkt erschien mir Jan allerdings ein bisschen unglaubwürdig. Gut, er ist ein Kerl, der das Maul aufreißt und sich zu wehren weiß. Aber auch einem solchen Kerl sollte es heftiger zu schaffen machen, wenn Frau und Kind bedroht werden. Für meinen Geschmack reagierte er da ein wenig zu „cool“.  

 

Ansonsten ist das Buch spannend und so geschrieben, dass man gerne dranbleibt. Einen Verdacht, wer der Täter sein könnte, hatte ich schon relativ früh. Das machte aber nichts, denn aus Jans Sicht heraus – die ja keine so außenstehende ist, wie man sie als Leser hat – war das sicher nicht so leicht erkennbar. Einzig der Schluss wurde für meinen Geschmack ein bisschen zu schnell abgewickelt, da hätte ich mir ein paar Seiten mehr gewünscht.

 

Eine Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit führt zwangsläufig zu Fragen wie: „Wie war ich so, was wollte ich, wovon träumte ich?“ aus denen regelmäßig Fragen wie: „Und was ist jetzt aus mir geworden, hätte ich etwas anders oder besser machen können?“ werden. In diesem Buch wird nicht nur die eigene Vergangenheit beleuchtet, sondern auch die der damaligen Freunde. Und das alles vor dem Hintergrund eines grausamen Verbrechens.

 

Fazit: Packende Konfrontation mit einer lange verdrängten Vergangenheit. Lesenswert für jeden, der mal 16 war ;-)