Rezension

Wird überschätzt

Was ich euch nicht erzählte - Celeste Ng

Was ich euch nicht erzählte
von Celeste Ng

Bewertet mit 2 Sternen

Was nicht passt, wird passend gemacht! Wieder einmal gefällt mir ein gehyptes Buch nicht sonderlich. Klar, man kann sich reinfallen und emotional mitnehmen lassen, das ist es nicht, was mir aufstößt. Aber die Falle, in der die Familie sich befinden muss, damit die Isolation, die die Autorin für ihre scheiternden Figuren braucht, greift, ist mir einfach zu überkonstruiert. Wie sie es beschreibt, würde es im Leben nicht ablaufen bei der Art von Protagonisten, die sie auf den Plan bringt.

Kennt der werte Leser den großartigen Roman „Gottes zweite Garnitur“ von Willi Heinrich? An dessen Konstellation entlang schreibt Celeste Ng, als sie die blonde Marilynn und den chinesisch-stämmigen US-Bürger James Lee in einer Ehe vereint.

Während Marilynn, naturwissenschaftlich ein As und eigentlich als starke Figur angelegt, sie möchte Ärztin werden, im Grunde stolz auf ihre Aussenseiterrolle ist, empfindet ihr Mann James eine tiefsitzende Scham wegen der erlittenen Diskriminierungen in Jugend und Berufsleben. Gesprochen wird darüber nie. Die Erklärungsversuche der Autorin dafür, sind dürftig.

Als die Kinder kommen, projizieren die Eltern jeweils ihre nicht verwirklichten Lebenswünsche auf das mittlere Kind, Lydia, das mit den blauen Augen ihrer Mutter und den schwarzen Haaren des Vaters und seiner schlanken Silhouette, ihrer beiden Wesenszüge am meisten verköpert und das aufgrund besonderer Umstände dieses Spielchen mit sich machen lässt, aber schließlich an den hohen Erwartungen zerbricht.

Lydia, die schweigt und nicht einmal rebelliert ist im Großen und Ganzen glaubwürdig aufgebaut, die anderen Figuren sind es jedoch nicht. Nicht die Mutter, nicht der Vater, nicht die Geschwister. Es ist nicht nachvollziehbar, wie unsensibel die Eltern mit ihren drei Kindern umgehen. Die Figur der Mutter, muss von der Autorin maßgeblich dafür verantwortlich gemacht werden, dass ihre Kinder ein Trauma erleben, und damit dies passt, wird sie von der Autorin mitten entzwei gebrochen und andersherum wieder zusammengesetzt.

Der Bruder peilt auch nichts. Da lebt er das Leben des Vaters nach und merkt nicht, dass er eigentlich ein Geliebter ist. Der Vater deckelt ihn, anstatt ihn zu stärken. Die kleine Schwester stellt sich tot, ist ansonsten aber ausgeglichen und der ruhende Pol in der Familie. Warum? Keine Ahnung.

Die Sprache von Celeste Ng ist sehr einfach. Die Botschaft auch: Redet miteinander.

Fazit:
Ein zu gewollter Plot mit zu vielen psychologisch verbogenen Figuren.

Kategorie: gute Unterhaltung: 2 Punkte
Verlag: dtv, 2016

Kommentare

E-möbe kommentierte am 24. Juni 2016 um 22:15

Hier ist also die kritische Stimme aus dem Grab. Die Leseprobe fand ich aber noch gut.

wandagreen kommentierte am 24. Juni 2016 um 22:59

Es gibt gute Anteile, klar. Die Figur der Lydia nimmt großen Raum ein und die stimmt. Es ist gefällig geschrieben, das auch, erst, wenn man anfängt, über Wahrscheinlichkeiten nachzudenken ... wirds sehr schief.