Rezension

Wissenschaftlicher Reisebericht

Die Fahrt der Beagle - Charles Darwin

Die Fahrt der Beagle
von Charles Darwin

Bewertet mit 4 Sternen

»6. Dezember – Die Beagle verließ den Rio Plata, um niemals wieder seine trüben Wasser zu befahren. Wir nahmen Kurs auf Port Desire an der Küste Patagoniens. Bevor ich fortfahre, möchte ich hier einige Beobachtungen zusammenfassen, die ich auf See gemacht habe. Mehrmals, wenn das Schiff einige Meilen vor der Mündung des Plata war, und auch andere Male vor der Küste Nordpatagoniens waren wir von Insekten umgeben. Eines Abends, als wir ungefähr zehn Meilen vor der Bucht von San Blas lagen, waren wir inmitten einer riesigen Menge Schmetterlinge, Scharen oder Schwärme unendlicher Myriaden, so weit das Auge reichte. Selbst mithilfe eines Teleskops vermochte man unmöglich einen von Schmetterlingen freien Raum zu sehen.«

Im Jahr 1831 ging der gerade 22jährige Charles Darwin, ein junger, talentierter Wissenschaftler, an Bord der HMS Beagle, um mit ihr 5 Jahre lang um die Welt zu reisen. Die Route führte rund um Südamerika, über Tahiti, Neuseeland und Australien und durch den Indischen Ozean. Während der gesamten Fahrt führte er Tagebuch, hielt akribisch seine Beobachtungen fest. Diese wurden später zur Quelle für sein großes Werk „Die Entstehung der Arten“ und er zu einem der bedeutendsten Naturwissenschaftler und berühmt für seine Beiträge zur Evolutionstheorie.

 

Wer jetzt dieses Buch aufschlägt und fortwährende Berichte über die beobachteten Tiere erwartet, wird womöglich enttäuscht sein. Diese Berichte gibt es natürlich, aber der Reisebericht ist noch wesentlich umfangreicher und erstreckt sich ebenso auf die bereisten Landschaften, die Geologie, das Klima und die angetroffenen Menschen. Ich fand diesen Mix sehr interessant und war bei jedem neuen Kapitel gespannt, was Darwin wohl zu berichten hatte.

 

Schön war dabei, das ständige Staunen und Bewundern aus dem Bericht herauszulesen. Deutlich sah ich den jungen Mann vor mir, der mit offenen Augen und staunend durch die Welt reist und überall neue Erfahrungen aufsaugt wie der sprichwörtliche Schwamm. Ein Pionier, der neue Dinge entdeckte und davon berichtete, der nicht alles verstand, was er sah, Fragen stellte und einige Schlussfolgerungen zog.

 

Zugleich ist der Bericht ein Dokument seiner Zeit, was man sich als Leser auch immer wieder vor Augen führen muss, wenn von „Wilden“ berichtet wird. Die Erforschung fremder „Rassen“ wurde teils mit ähnlicher Akribie betrieben wie die von Tierarten. In einem Kapitel stockte mir schon der Atem, als ich von Kindern las, die „zwangsadoptiert“ wurden und die man dann höchst interessiert beobachtete und dokumentierte, wie sie aßen, wie sie in Kleidung aussahen, wie sie sprachen usw. An anderer Stelle zeigte sich Darwin für seine Zeit recht fortschrittlich, wenn er beispielsweise über das Verschwinden / Aussterben bestimmter Arten nachdachte. Sein Schreibstil konnte mich nicht durchgehend begeistern, vielen Passagen merkte man doch an, dass ihr Autor kein Literat, sondern Naturwissenschaftler war.

 

Darwins Aufzeichnungen werden ergänzt durch einige Auszüge aus dem Reisebericht des Kapitäns oder aus seinem Werk „Die Entstehung der Arten“. Die ganze Aufmachung des Buchs ist prächtig, voll mit tollen Illustrationen, Zeichnungen und Abbildungen von Original-Karten oder -Handschriften. In der Mitte findet sich eine schöne, große Übersichtskarte, auf der alle Routen und Stationen eingezeichnet sind. Das Buch ist allerdings nicht geeignet, um es unterwegs zu lesen, Format und Gewicht erfordern ein gemütliches Lesen zuhause.

 

Fazit: Wissenschaftlicher Reisebericht, prächtig aufgemacht und zugleich ein Zeitdokument.

 

»Von den Szenen, die sich tief in mir eingeprägt haben, sind keine erhabener als die von Menschenhand unberührten Urwälder, seien es jene Brasiliens, wo die Mächte des Lebens vorherrschen, oder jene Feuerlands, wo Tod und Verfall obsiegen. Beide sind Tempel, angefüllt mit den mannigfaltigen Erzeugnissen des Gottes der Natur – niemand kann ungerührt in dieser Einsamkeit stehen und nicht spüren, dass im Menschen mehr ist als nur der bloße Atem seines Körpers.«