Rezension

Wo beginnt Schuld? Wo endet Menschlichkeit?

Deutsches Haus - Annette Hess

Deutsches Haus
von Annette Hess

Bewertet mit 4 Sternen

Dieser Roman thematisiert eins der dunkelsten Kapitel deutsch-polnischer Geschichte: das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Die junge Dolmetscherin Eva kommt mehr oder weniger durch Zufall dazu, beim Prozess gegen ehemalige Kommandanten und Angestellte des Lagers zu übersetzen. Was sie dort erfährt, geht ihr nahe und bringt sie um den Schlaf. Noch ahnt sie nicht, dass auch ihr eigenes Leben eine Verbindung nach Auschwitz hat.

Eva wird als eher zurückhaltende junge Frau dargestellt, die zunächst leicht zu beeindrucken und leicht zu führen ist. Ihr Verlobter, ein reicher Versandhauserbe, schätzt genau das: eine Frau, die ihm zu Willen ist. Im Laufe des Buches entwickelt Eva aber Selbstbewusstsein, was zu großen Konflikten führt. Nicht nur ihr Verlobter, auch ihre Eltern und ihre Schwester lernen neue Seiten an ihr kennen.

Seinen Höhepunkt erreicht die Geschichte, als Eva das Geheimnis ihrer Familie herausfindet und sämtliche Wert- und Moralvorstellungen in Frage stellt. Das ist der Dreh-und Angelpunkt dieser Geschichte: Wo beginnt Schuld? Und wo endet Menschlichkeit? Das Buch liefert einen Ausgangspunkt für eigene Gedanken – wie hätte man selbst sich verhalten? Welchen Weg wäre man gegangen in einer Gesellschaft, die von blindem Gehorsam und Aktionismus lebte? Ein schwieriges Thema, das sich aber lohnt zu hinterfragen .

Auch wenn ich Evas Bestrebungen und ihre Moralvorstellungen absolut unterstreichen kann, habe ich doch beim Lesen leider keine richtige Verbindung zu ihr aufbauen können. Das ist der Grund, weshalb ich das Buch nicht mit 5, sondern „nur“ mit 4 Sternen bewerte – Eva war beim Lesen eine spannende Figur, aber keine Freundin für mich.

Davon aber ganz abgesehen – mit diesem Buch sollte sich einfach jeder einmal beschäftigt haben.