Rezension

Wo ist Marina?

Die zweite Schwester - Claire Kendal

Die zweite Schwester
von Claire Kendal

Bewertet mit 4 Sternen

Zehn Jahre sind vergangen, seitdem Ellas Schwester Marina spurlos verschwand. Dabei war die junge Frau gerade erst Mutter eines Sohnes geworden und niemand konnte sich erklären, was damals mit ihr geschah. Während Marinas Eltern sich ganz der Erziehung des kleinen Lukes hingaben, konnte Ella niemals ganz abschließen. Bis heute ist ihre Schwester für sie allzeit präsent und in Gedanken spricht sie mit ihr. Zwar wurde ein Mann verhaftet, der Frauen getötet hat und der auch angeblich Marina tötete, doch Beweise dafür gab es nicht. Als sie von der Polizei den Karton mit Marinas persönlichen Sachen zurückerhalten, findet Ella etwas, das einen Hinweis auf Marinas Verbleib geben könnte. Ella begibt sich selbst auf Spurensuche.

Meine Meinung

Das düstere Cover und auch der Klappentext machen neugierig auf den Inhalt des Thrillers. Doch so ganz leicht wurde mir hier der Einstieg nicht gemacht. Ich brauchte doch eine Weile, bis ich mich an Claire Kendals Schreibstil gewöhnt hatte, denn sie schreibt mit einem sehr ausufernden und detaillierten Stil. So gab es vor allem zu Beginn Momente, die mir sehr langatmig vorkamen, doch hier lohnt es sich absolut durchzuhalten, denn die Geschichte wird spannender und nach einer Weile auch so packend, dass ich die letzten 300 Seiten in einem Rutsch gelesen habe.
Wie erwähnt, passiert zu Beginn nicht so viel, doch hier werden schon die ersten Spuren gelegt, man wird neugierig gemacht, auf das, was einst geschah. Während man den Handlungen, aber auch sehr vielen Gedanken der Protagonistin Ella folgt, wird man immer mehr dazu aufgefordert, eigene Theorien aufzustellen. Eine düstere und hin und wieder sogar bedrohlich unheimliche Atmosphäre begleitet den Leser durch den Thriller.
Der Fall an für sich ist nicht unbedingt etwas Neues, doch die Autorin hat eine ganz eigene Art zu erzählen. Man spürt geradezu, dass Marina immer und überall für Ella präsent ist. Die junge Frau spricht immer wieder mit ihr, auch nach zehn Jahren ist Ellas Trauma greifbar und nachvollziehbar für den Leser.
Vor allem das Claire Kendal Ella in der Ich-Form erzählen lässt, bringt den Leser nahe ans Geschehen. Dadurch, dass Ella sich in der Du-Form immer wieder an ihre Schwester wendet, wirkt es glaubhaft und authentisch.
Die Zeichnung der unterschiedlichen Charaktere ist hier ebenfalls gelungen. Die traumatisierte kleine Schwester Ella, die Protagonistin, wird hier bis ins kleinste Detail beschrieben und man sieht sie förmlich vor sich. Aber auch Ellas Eltern, der kleine Neffe und sonstige Nebencharaktere bekommen eine klare und facettenreiche Darstellung. So richtig vertraut man hier nur wenigen.

Mein Fazit

Ich habe hier durchaus Zeit benötigt, um mich an dem sehr ausschweifenden Schreibstil zu gewöhnen und doch gelang es Clarie Kendal nach einer Weile, mich an diese Geschichte zu binden. Düstere Atmosphäre und diverse Wendungen, teilweise undurchschaubare Charaktere und eine traumatisierte Protagonistin halten die Spannung. Leser von hartgesottenen und blutigen Thrillern werden hier eher nicht zum Zuge kommen, doch wer eine intensive, durchdachte Geschichte mag, in der man Theorien über Vergangenes aufstellen kann, sollte einmal hineinlesen.