Rezension

Wo Rauch ist, ist auch Feuer

Im Wald - Nele Neuhaus

Im Wald
von Nele Neuhaus

Bewertet mit 5 Sternen

~~Wo Rauch ist, ist auch Feuer“ dürfte einer der Standard-Sprüche sein zum Thema, ob sich denn hinter Gerüchten auch ein wahrer Kern verbergen könne. In Nele Neuhaus nunmehr achtem Roman (Vorkenntnisse sind nicht nötig) um ihre Kriminalpolizisten Oliver von Bodenstein und Pia Sander, vormals Kirchhoff, beginnt es mit dem Feuer. Gleich zu Beginn brennt ein Wohnwagen ab im Taunus, in den Überresten wird eine Leiche gefunden.

Aber schon bald lesen wir besonders vom sprichwörtlichen Rauch - es geht nicht nur darum, was sich hinter so einem dörflichen Geflecht verbirgt mit seinen alten Freundschaften, Abhängigkeiten, Gerüchten, sondern vor allem auch darum, inwieweit diese Verflechtungen Ursache dafür sein können, dass Menschen zu Schaden kommen. Bodenstein stammt aus dem Dorf, aus dem auch die Eigentümerin des Wohnwagens kommt, er ist dort aufgewachsen und seine Eltern leben noch dort. Wie sich bald herausstellt: Es war nicht die letzte Leiche – und auch nicht die erste. Und Bodensteins Bezug zu den Fällen geht weit darüber hinaus, „nur“ im Ort aufgewachsen zu sein…

Dabei hat der Ermittler doch gerade eben genug eigene Probleme: seine aktuelle Beziehung ist am Schwächeln, er fühlt sich aufgerieben zwischen längst vergangenem beruflichen Enthusiasmus und der Ernüchterung durch die Realität, seine Exfrau überlässt ihm die gemeinsame jüngste Tochter im Vorschul-Alter, ohne sich an Absprachen zu halten. So wird nicht nur sein deshalb geplantes Sabbatical zum Problem für seine Kollegin Pia Sander, sie muss auch damit klarkommen, inwieweit Oliver Bodenstein nicht nur ihr Noch-Chef ist, sondern auch noch in der Lage, persönlich objektiv zu bleiben.

Was hat der alte Pfarrer gesehen? Was geschah wirklich in der Vergangenheit von Rosie? Und was geschah mit Artur, dem verschwundenen Kindheitsfreund von Oliver von Bodenstein?

Die Stärke dieses Krimis liegt in der glaubwürdigen Schilderung des dörflichen Milieus, mitsamt dem Misstrauen gegenüber Zugezogenen, dem lebenslangen, teils generationsübergreifenden Beziehungsgeflecht zwischen Familie, Freundschaft, Liebe, Abhängigkeit und Neid. Das jedoch hatte die Autorin bereits mit „Schneewittchen muss sterben“ geliefert - auch dort schon handwerklich gut, jedoch bot sich dem Leser die Zuflucht, sagen zu können, dass das bei ihm im Ort ganz anders sei. Weit gefehlt, wie hier klar wird: Im aktuellen Roman erweitert Neuhaus das ganze noch um Rückblenden in die Kindheit, darum, wie es sich anfühlt, durch die Konfrontation mit den Ängsten und Freuden der frühesten Jugend wieder in das damalige Ich zurück katapultiert zu werden, wieder Teil jenes Geflechts zu sein, ob freiwillig oder nicht. Nicht nur hier ist der Roman düster, spielt mit Elementen des Psychothrillers (Stichwort: Klaustrophobie) – die gesamte Handlung ist unterlegt mit einer gewissen Melancholie. Was sonst gefiel? Man kann jeden Band der Reihe ohne die anderen lesen; ungeachtet dessen entwickeln sich die Charaktere wohltuend fort, sind Menschen mit Ecken und Kanten. In diesem Band hat man sich (endlich) entschlossen, ein Personenregister und eine Karte mitzuliefern – Frau Neuhaus neigt zu einer gewissen Personalfülle. Das wäre dann auch das einzige Manko – es sind doch wieder reichlich viele Personen… aber da ich das Buch praktisch über Nacht auslesen MUSSTE, dafür nur einen knappen halben Stern Abzug, die spannende Handlung macht es wett…4,5 Sterne aufgerundet.

Kommentare

hobble kommentierte am 01. November 2016 um 06:28

Nichts wie ran an den neuen Neuhaus

StefanieFreigericht kommentierte am 01. November 2016 um 10:37

Meinen konnte ich sogar von der Autorin auf der Buchmesse signieren lassen - mit gut anderthalb Stunden Wartezeit davor, aber der Verlag schickte nette Mitarbeiter herum mit Gummibärchen und ähnlichem ;-)