Rezension

Wölfe in der Provence - atmosphärisches Setting - originelle Figuren

Verlorenes Vernègues - Cay Rademacher

Verlorenes Vernègues
von Cay Rademacher

Bewertet mit 5 Sternen

In der Nähe von Vernégues nahe Aix-en-Provence soll es im winterlichen Januar trotz eines wehrhaften Hütehundes zum Angriff von Wölfen auf eine Schafherde gekommen sein. Von Capitaine Roger Blanc und seinem Team wird erwartet, dass sie den Fall aufnehmen, damit der Schäfer den materiellen Schaden ersetzt bekommt. Eine DNA-Analyse muss beweisen, dass der Angreifer tatsächlich ein Wolf war und nicht etwa ein jagender Hund. Kollege Marius, stets gut informiert, weiß, dass Wölfe aus den italienischen Alpen ins südliche Frankreich wandern. Dieser Fall scheint von Beginn an mysteriös, weil in Frankreich Wölfe bisher noch nicht im Rudel gejagt haben, wie das Schäfer-Paar Locez den Ermittlern berichtet.

Blanc, Tonon und Fabienne Soulard ermitteln in einem historisch interessanten Setting, denn das „alte“ Vernègues wurde 1909 beim bisher letzten Erdbeben in der Provence zerstört und verfiel zur Geisterstadt, nachdem die Bewohner ihren Ort in der Nähe neu gründeten. Vieux Vernègues liegt geschützt am Rand eines Plateaus und wird deshalb von Schäfern gern als Nachtlager genutzt. Die Ermittlungen führen Roger Blanc als Zugezogenen auf glattes Eis, da der Bürgermeister eng mit dem örtlichen Jagdverband verbandelt ist und dieses Bündnis sich ungern in die Karten gucken lassen will. Presseberichte über Wölfe will Bürgermeister Melleton deshalb unbedingt verhindern. Blanc findet im Ort einen tiefen Graben vor zwischen Wolfsgegnern/ängstlichen Bürgern auf der einen Seite und Naturschützern/Wolfsexperten als Gegenpol. Als wäre das nicht konfliktreich genug, sind im Wald von Vernègues u. a. eine Seismologin und ein Ufo-Experte unterwegs, die die Wege der Jäger wie der Ermittler stören könnten. Als es in den alten Gemäuern auch noch zu einem Mord kommt, geht Blanc mit seinem Team ungewöhnliche Ermittlungs-Wege.

Cay Rademacher verknüpft im Setting eines verlassenen provencalischen Ortes einen mit harten Bandagen ausgetragenen Konflikt um ein angebliches Wolfsrudel mit äußerst originellen Figuren und deren jeweiligen Spleens. Allein die Landkarte in der vorderen Klappe und die Aufzählung von Wolfsexperte, Försterin und Seismologin im Personenregister wecken schon die Neugier auf Rademachers 7. Roger-Blanc-Krimi. Informationen über Wölfe, die regionale Geschichte und einige technische „Gadgets“ sind geschickt eingewoben, weil auch Blanc sich damit erst auseinandersetzen muss. Wie er diverse Skills im Team nutzt, hat mir imponiert. Neben dem im Frankreich-Krimi schon unvermeidlichen Lästern über die Drangsalierung der Provinz durch Paris und die EU-Vorschriften stehen sich hier u. a. klassische Ermittlungsmethoden „zu Fuß“ und technische Finessen gegenüber.

Die spannende Mischung aus historischem Hintergrund, originellen Figuren und abenteuerlichem Privatleben Blancs empfehle ich gern.