Rezension

Woher kommt der Tod?

Still Chronik eines Mörders - Thomas Raab

Still Chronik eines Mörders
von Thomas Raab

An einem Dezembertag im Jahr 1982 erblickt Karl Heidemann das Licht der Welt. Ausgestattet mit einem hypersensiblen Gehör empfindet er jedes Geräusch als unerträgliche Qual. Seine Reaktion darauf: Er schreit und schreit. Seine Mutter Charlotte versteht ihn nicht. Erst der Vater findet durch Zufall heraus, dass einzig und allein die Stille dem Kind gut tut. Fortan wächst Karl im eigens umgebauten Keller heran. Isoliert und ohne soziale Kontakte. Die Mutter erträgt die Situation nicht und wird depressiv. Schließlich ertränkt sie sich im Beisein des mittlerweile 9jährigen Karls im nahe gelegenen Weiher. Als man die Leiche der Mutter wenig später birgt, hat Karl eine Erkenntnis. Der Tod ist ein Geschenk. Er bringt Frieden und Erfüllung. Denn nie zuvor hat Karl seine Mutter mit so entspannten Zügen gesehen. Dieses Geschenk des Todes will Karl unbedingt weitergeben. Und er zieht eine blutige Spur hinter sich…
Wer bei der Formulierung „Chronik eines Mörders“ an einen Krimi oder Thriller denkt, der liegt vollkommen falsch. Es ist ein literarisches Werk, sprachlich auf hohem Niveau. Und es ist auch genau die Sprache und der Erzählstil, der dieses Buch so einzigartig machen. Thomas Raab spielt mit den Worten, zaubert Sätze, die ich in dieser Form bisher noch nicht kannte. Ein Buch, welches man unbedingt langsam lesen sollte, um jede Formulierung und jeden Satz einzeln zu erleben.
Obwohl Karl ein Mörder ist, bleibt er dennoch ein Sympathieträger. Seine Kindheitserlebnisse lassen den Tod als Geschenk nahezu logisch erscheinen. Karl will niemanden etwas Böses, er will die Menschen eher glücklich machen und entwickelt seinen eigenen Gerechtigkeitssinn. Da erscheinen eher die Dorfbewohner etwas seltsam, denn auch durch ihr Verhalten entwickelt sich Karl zu dem was er ist. Man fühlt mit Karl und hofft immerzu, dass der ihn jagende Kommissar Horst Schubert nicht erwischt.
Das Cover ist äußerst gelungen und passt perfekt zum Titel. Der im Nebel liegende See strahlt eine unglaubliche Ruhe aus.
Ein Leseerlebnis der besonderen Art, nichts für eben mal zwischendurch. Aber auf jeden Fall absolut empfehlenswert für Menschen, die Romane mit Tiefsinn lieben.