Rezension

Wohngemeinschaft mit einem Waldkauz

Die Eule, die gern aus dem Wasserhahn trank - Martin Windrow

Die Eule, die gern aus dem Wasserhahn trank
von Martin Windrow

Bewertet mit 5 Sternen

Martin Windrow, der im Hauptberuf militärhistorische Bücher schrieb und verlegte, ermahnt seine Leser zuerst, unter keinen Umständen Wildtiere mit nach Hause zu nehmen. Er ist sich der Gefahr vollkommen bewusst, dass Leser seines Buches den Waldkauz Mumble so niedlich finden, dass sie Windrows Experiment nachahmen könnten. Die Idee des englischen Autors, im siebten Stock eines Londoner Appartementhauses einen Kauz zu halten, wirkt von dem Punkt an weniger exzentrisch, an dem man erfährt, dass Windrows Bruder erfahrener Falkner ist, der auf seinem großzügigen Farmgelände selbst einen Kauz hält. Wäre Martin Windrow gescheitert, hätte es in der Familie sicher noch einen Plan B für Mumble (engl. Murmler, Grummler) gegeben.

Da Greifvögel auch in England streng geschützt sind, kauft Windrow seinen Jungkauz aus einer privaten Zucht. Meist sind diese Tiere Nachkommen verletzt aufgefundener Elterntiere, die aufgrund ihrer Verletzung in Freiheit nicht überleben würden. Mumble wird vom Kind des Züchters von Hand aufgezogen und verhält sich von Anfang an völlig zahm.

Martin Windrows erste Versuche als Eulenvogelhalter haben durchaus komische Seiten. Er muss nicht nur eine möglichst unauffällige Voliere für seinen Balkon bauen, da er offiziell keine Tiere in der Wohnung halten darf, sondern auch die zuverlässige Versorgung mit Eintagsküken sicherstellen, da er in der Stadt kaum mal schnell eine Wühlmaus für sein ungewöhnliches Haustier fangen kann. Mensch und Kauz nähern sich einander an, was erheblich dadurch erleichtert wird, dass Windrow die Fachliteratur kennt und weiß, dass Käuze im Gegensatz zu anderen Eulenarten lebenslang monogam leben und ein ausgeprägtes Revierverhalten haben. Nachdem Mumble der Pubertät entwachsen ist, darf es also außer ihm und seinem Menschen im gemeinsamen Revier im 7. Stock keine anderen Bewohner geben. Ein Problem, das Eulenliebhaber aus Bernd Heinrichs "Ein Forscher und seine Eule" kennen.

Die Beziehung zwischen Mumble und seinem Besitzer wird sich später noch einmal komplett verändern, als Windrow nach Sussex aufs Land zieht und Mumble von sich aus in seinem neuen Revier, einer Voliere im Garten, kleine Nagetiere und Vögel zu jagen beginnt, die von draußen in das Gehege gelangen. Dabei schreckt er selbst vor ausgewachsenen Tauben nicht zurück. Die sorgfältige Beobachtung von Mumbles Interessen durch seinen Halter, das Vergnügen des Käuzchens an Schränken, Kartons, verborgenen Winkeln und der Cäsar-Büste aus dem Originaltitel zaubert so manches Lächeln ins Gesicht des Lesers. Die ungewöhnliche Partnerschaft endet tragisch, vermutlich durch einen Eingriff Außenstehender aus fehlgeleiteter Tierliebe.

Der Autor zeigt seinen kleinen Mitbewohner niemals als „niedlich“ oder vermenschlicht ihn, sondern referiert, getrieben von wissenschaftlicher Neugier, in den Sachkapiteln des Buches Hintergrundwissen zu Eulenvögeln, die Bedrohung ihrer natürlichen Lebensräume, ihre Fähigkeiten und Eigenarten. Ausgiebig reflektiert er, was ein Greifvogel in Gefangenschaft vermissen und als was Mumble seinen Menschen wohl betrachten könnte.

Fazit
Für einen Autor, der sich inhaltlich gewöhnlich mit der Französischen Fremdenlegion und den Uniformen vergangener Kriege befasst, finde ich Windrows Buch stilististisch und durch seine moralische Reflexion der Tierhaltung in Gefangenschaft äußerst gelungen. Es tendiert stärker zum Sachbuch als zu heiterer Unterhaltungsliteratur.